Die Entscheidung des BVerfG vom 16.11.2020 enthält keine Ausführungen zu der weiteren umstrittenen Frage, ob das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren auch dann verletzt wird, wenn die Rohmessdaten von dem zur Anwendung gelangten Messgerät von vornherein nicht gespeichert werden. In diesen Fällen würde daher das Einsichtsrecht des Betroffenen hinsichtlich dieser Daten leerlaufen, denn in etwas nicht Vorhandenes kann Einsicht nicht gewährt werden.
Der VerfGH des Saarlandes hat in seinem Urt. v. 5.7.2019 einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren in diesen Fällen angenommen. Denn wenn das verwendete Gerät (im Fall des VerfGH: Traffistar S 350) die Datensätze nicht bereitstelle, dann könne der Betroffene das Messergebnis nicht sinnvoll überprüfen. Er müsse dann das Messergebnis letztlich "auf Gedeih und Verderb" hinnehmen. Dies sei rechtsstaatlich nicht hinnehmbar. Die Folge wäre ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Messergebnisses.
Der VerfGH zieht in seiner Entscheidungsbegründung u.a. eine Parallele zu den Entscheidungen des BVerfG zur Verwendung elektronischer Wahlsysteme ("Wahlcomputer"). Dort hatte das BVerfG u.a. aus der fehlenden Überprüfbarkeit der Zählung durch den Computer hergeleitet, dass die Verwendung dieser Systeme rechtsstaatlich nicht hinnehmbar sei.
Dass es sich bei Wahlakt um eine "demokratierelevante Sondersituation" handele, die "mit der Situation eines gerichtlichen Verfahrens … nicht vergleichbar" sei – wie es dem VerfGH vom OLG Schleswig entgegengehalten wird –, dürfte insoweit kein sehr überzeugendes Gegenargument darstellen. Denn gemeinsam ist beiden Konstellationen, dass die zunehmende Verwendung digitalisierter Verfahren die – vom VerfGH des Saarlandes herausgearbeitete – Frage aufwirft, ob der Bürger gehalten ist, die für ihn mit gravierenden Rechtsfolgen verbundenen Ergebnisse der Verwendung automatisierter Verfahren hinzunehmen, ohne ihr Zustandekommen überprüfen zu können (obwohl die Speicherung und Überprüfung technisch möglich wäre – anders als etwa bei einer flüchtigen Atemalkoholprobe, die insoweit zum Teil als Gegenargument herangezogen wird). Insoweit dürfte einiges dafür sprechen, dass dies nicht nur beim Wählen, sondern auch dann, wenn der Staat den Bürger immerhin wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens repressiv mit Sanktionen belegt, nicht den Anforderungen eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens entspricht.
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist die Entscheidung des VerfGH des Saarlandes jedoch bisher einhellig auf Ablehnung gestoßen. Auch insoweit wird es absehbar einer Entscheidung des BVerfG bedürfen, nachdem gegenwärtig nicht ersichtlich ist, dass es insoweit zu einer Divergenzvorlage zum BGH durch ein Oberlandesgericht kommen wird.
Hinzuweisen ist insoweit auch auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 21.6.2021 im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung, in dem es immerhin heißt, dass der Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein der Erfolg versagt werden könne. Es handele sich um eine in der Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage; unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes könnten sich die angegriffenen Entscheidungen als verfassungswidrig erweisen. Der VerfGH Rheinland-Pfalz hat allerdings nunmehr in seinem Beschluss vom 22.7.2022 entschieden, dass die Verwendung eines Messergebnisses, dessen der Messung zugrundeliegende Rohmessdaten nicht zum Zwecke der nachträglichen Überprüfbarkeit gespeichert worden sind, nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoße.