I. Die Entscheidung behandelt den schwierigen, aber in der Praxis wohl nicht seltenen Fall, in dem sich eine Krankschreibung später als falsch erweist.
Der Kläger hatte bei einem Unfall 2019 u.a. eine Beinverletzung erlitten. Er war vier Monate arbeitsunfähig und hatte nach dem 4.9.2019 weitere Krankschreibungen seines Arztes bis zum 14.9.2020 erhalten. Auch für diesen Zeitraum hatte er Ersatz seines Verdienstausfalls beantragt.
Die Beklagten hatten bestritten, dass der Kläger über den 4.9.2019 hinaus noch arbeitsunfähig war.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil es meinte, nicht feststellen zu können, dass die weitere Krankschreibung unfallbedingt erfolgt sei.
Die gegen dieses Urteil vom Kläger eingelegte Berufung hat das OLG Dresden nach Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme und Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Der gerichtlich eingeschaltete Sachverständige habe bestätigt, dass die verbliebenen neuropathischen Schmerzen im Unterschenkel eine Krankschreibung über den 4.9.2019 hinaus nicht rechtfertigten. Tatsächlich hätte der Kläger ab dem 5.9.2019 wieder arbeiten können.
II. Man kann Urteil und Leitsatz – wohlmeinend – nur als überraschend bezeichnen.
1. Zustimmen lässt sich dem zitierten Ausgangspunkt: Nach § 249 BGB hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz seines gesamten unfallbedingten Vermögensschadens. Im Falle der Verletzung seiner Person kann er auf der Grundlage der §§ 249, 842, 843 BGB bzw. § 11 StVG daher auch Schadensersatz für die Nachteile verlangen, die er verletzungsbedingt hinsichtlich seines Erwerbseinkommens erleidet (Rn 34).
2. Auf der Grundlage dieses Obersatzes war zu klären, ob der vom Kläger geltend gemachte weitere Verdienstausfall verletzungsbedingt entstanden ist. Hier geht es um die haftungsausfüllende Kausalität, also den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und weiteren Schäden des Verletzten (zum Begriff: BGH Urt. 23.6.2020 – VI ZR 435/19, NJW 2020, 3176 Rn 13 m.w.N.). Deren Feststellung folgt gewissen Regeln (Überblick bei Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, Vorb. v. § 249 Rn 24 ff.), denen das OLG Dresden – ausdrücklich jedenfalls – keine nähere Beachtung schenkt. Stattdessen postuliert der Senat unter Hinweis auf die Äußerung versicherungsnaher Autoren, dass auch bei berechtigtem Vertrauen auf die objektiv falsche Krankschreibung ein erstattungsfähiger Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger nicht vorliege (Rn 36). Das ist rechtsfehlerhaft.
a) Regelgerecht wäre zur Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität auf der Grundlage der Äquivalenztheorie zunächst zu klären, ob die Verletzung hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Verdienstausfall entfiele. Davon kann im vorliegenden Fall offensichtlich keine Rede sein; denn wäre der Unfall nicht passiert, hätte der Kläger den Arzt nicht aufsuchen müssen und es wäre im weiteren Verlauf der Behandlung auch nicht zu der im Ergebnis falschen Krankschreibung gekommen.
b) Die Anwendung der Adäquanzlehre führt zu keinem anderen Resultat. Denn dass ein Arzt sich im Rahmen der Behandlung irrt oder einen Behandlungsfehler begeht, liegt nicht "außerhalb aller Wahrscheinlichkeit" (BGH Urt. v. 7.3.2001 – X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887 m.w.N.) und ist für die Frage der Ersatzfähigkeit daher ohne Bedeutung. – Warum sollte dies bei einer Krankschreibung anders sein?
c) Bleibt zu prüfen, ob der Schutzzweck der Norm ein anderes Ergebnis erfordert. Diese weitere Einschränkung soll nach der Rechtsprechung verhindern, dass aufgrund der weiten bisher benannten Kausalitätsbegriffe auch Schäden erfasst werden, für deren Abwehr die Norm eigentlich nicht gemacht ist. Der Nachteil, der auf der Grundlage der Haftungsnorm ausgeglichen werden soll, muss daher zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen.
Wer aber einen anderen körperlich verletzt, setzt ihn den spezifischen Risiken der dadurch bedingten Heilbehandlung aus. Daher ist es nur angemessen, wenn nach der Haftungsnorm, die den Schädiger zum Schadensersatz verpflichtet, dieser auch für die Schäden einzustehen hat, die sich im Rahmen der Heilbehandlung ereignen.
d) Die Fälle, in denen ein Dritter für den zusätzlichen Schaden verantwortlich ist, nehmen im Rahmen dieser wertenden Betrachtung eine Sonderstellung ein. Allerdings gilt auch hier, dass der Zurechnungszusammenhang i.d.R. nicht unterbrochen wird, wenn der Schaden erst durch die – auch grob fahrlässige – Handlung eines Dritten eintritt. An der Zurechenbarkeit fehlt es erst dann, wenn der Dritte den Kausalverlauf so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu dem Fehler des Schädigers steht (BGH Urt. v. 22.9.2016 – VII ZR 14/16, NJW 2016, 3715 Rn 14 f.; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, Vorb. V. § 249 Rn 47 m.w. Rspr. N.).
Ein solch' innerer Zusammenhang lässt sich in dem der Dresdner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht leugnen. Zwar hat der behandelnde Arzt durch sei...