StVO § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2
Leitsatz
Entsteht durch Werbung oder Propaganda eine nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 StVO relevante Gefährdung durch Ablenkung von Verkehrsteilnehmern außerhalb geschlossener Ortschaften, ist angesichts des hohen Rangs des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit und der insoweit dem Staat obliegenden Schutzpflicht eine Beseitigungsanordnung auch dann gerechtfertigt, wenn die Werbung oder Propaganda dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt. Gleiches gilt für etwaige Grundrechte des von der Untersagung Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) oder Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum).
BayVGH, Beschl. v. 8.6.2022 – 11 CS 22.926
Sachverhalt
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verpflichtung, den von ihr an einer Halle aufgebrachten und von einer Bundesstraße aus sichtbaren Schriftzug zu entfernen oder abzudecken.
Die Antragstellerin ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in der Gemeinde T … Im Herbst des Jahres 2020 ließ sie an einer Lagerhalle auf einer Länge von ca. 40 m zwei Fassadengemälde (eines davon mit ihrem Firmenlogo) und darüber in Großbuchstaben den Schriftzug "Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld" anbringen. Die Entfernung der Halle von der durch den Ort verlaufenden Bundesstraße … beträgt ca. 40 m. Die Fassade mit den Abbildungen und dem Schriftzug liegt aus Richtung D … kommend linksseitig etwa auf Höhe der Ortstafel (Zeichen 310 nach Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die davor liegende Grundstücksfläche ist landwirtschaftlich bewirtschaftet und lässt den Blick auf die Halle frei.
Mit Schreiben vom 14.7.2021 forderte das Landratsamt D … (Verkehrswesen) die Antragstellerin auf, den Schriftzug samt den dazugehörigen Bildern zu entfernen bzw. neutral abzudecken.
Mit Schreiben v. 30.8.2021 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin dem Landratsamt mit, die Antragstellerin wäre bereit, durch eine Anpflanzung einer Miscanthus-Hecke, die "extrem schnellwüchsig" sei und eine Höhe bis zu 3,5 Meter erreiche, für einen ausreichenden Sichtschutz zu sorgen. Hierzu erwiderte das Landratsamt mit Schreiben v. 24.9.2021, der Schriftzug müsse abgedeckt werden, bis der volle Sichtschutz durch die Bepflanzung erreicht sei. Dies lehnte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben v. 4.10.2021 mit der Begründung ab, eine Abdeckung des Schriftzugs errege als Veränderung der Örtlichkeit erst recht Aufmerksamkeit. Die Bepflanzung werde die Antragstellerin aber dennoch vornehmen.
Mit Bescheid vom 11.11.2021 verpflichtete das Landratsamt die Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung eines Zwangsgelds, den an der Halle aufgebrachten Schriftzug "Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld" unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids zu entfernen oder abzudecken.
Mit Schriftsatz v. 26.11.2021 ließ die Antragstellerin beim VG Augsburg Klage gegen den Bescheid einreichen, über die das Gericht noch nicht entschieden hat. Den mit Schriftsatz vom 15.2.2022 nachgereichten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das VG mit Beschl. v. 24.3.2022 – Au 3 S 22.380 – abgelehnt. Nach summarischer Überprüfung sei der Bescheid rechtmäßig. Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt die Antragstellerin vortragen, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs werde nicht beeinträchtigt.
2 Aus den Gründen:
Zitat
[9] II … Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der VGH beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des VG zu ändern oder aufzuheben wäre.
[10] 1. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO v. 6.3.2013 (BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.7.2021 (BGBl I S. 3091), ist außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda darf der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden (§ 33 Abs. 1 S. 2 StVO). Wer hiergegen vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 28 StVO, die mit einem Bußgeld geahndet und nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1982, zuletzt geändert durch Gesetz v. 27.4.2020 (GVBl S. 236), durch die zuständige Sicherheitsbehörde untersagt werden kann.
[11] Der von der Antragstellerin auf der Halle angebrachte Schriftzug erfüllt den Verbotstatbestand des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 2 StVO. Der Standort der Halle liegt zwar noch innerorts, wofür d...