Verkehrsstrafrecht
417 km/h auf deutschen Autobahnen grundsätzlich erlaubt
Die Staatsanwaltschaft Naumburg hat am 12.8.2022 die Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens gegen einen Beschuldigten, der im Juli 2021 auf der Autobahn A 2 bei Burg mit seinem Fahrzeug Bugatti Chiron mit einer Geschwindigkeit von 417 km/h unterwegs war und dabei kurzzeitig freihändig fuhr, zurückgewiesen. Eine Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB sei dem Beschuldigten aus Rechtsgründen nicht nachzuweisen. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers umfasse der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB keine bloßen Geschwindigkeitsüberschreitungen, auch wenn diese erheblich seien. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte – von der hohen Geschwindigkeit abgesehen – grob verkehrswidrig und rücksichtslos gefahren sei, bestünden nicht. Eine solche Annahme ergäbe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Fahrer kurzzeitig freihändig gefahren sei. Ein bußgeldbewehrtes Verbot, die Hände vom Lenkrad zu nehmen, bestehe nur für Fahrrad- und Kraftradfahrer (§§ 23 Abs. 3 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO). Quelle: Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Nr. 3/2022 v. 15.8.2022
Dieselskandal
Kein Anspruch aus § 852 S. 1 BGB bei Neuwagenkauf von einer Tochtergesellschaft der VW AG (Urt. v. 14.7.2022 – VII ZR 422/21)
Mit Urt. v. 14.7.2022 (VII ZR 422/21) hat der BGH eine Klage auf Schadensersatz einer Käuferin eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Motor Typ EA 189) ausgestatteten Pkws der Marke Audi gegen die VW AG abgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB sei verjährt. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin habe die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB erst im Jahr 2017 erlangt. Die Klägerin hatte unstreitig allgemeine Kenntnis von dem Dieselskandal. Sie habe spätestens bis Ende 2016 Veranlassung gehabt, die Betroffenheit ihres Fahrzeugs von dem Dieselskandal selbst zu recherchieren. Dies nicht getan zu haben, sei grob fahrlässig. Einen Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 S. 1 BGB habe die Klägerin nicht. Wenn der Käufer das Fahrzeug – wie hier – von der Tochtergesellschaft der Beklagten erworben habe, scheide ein Anspruch gegen die Muttergesellschaft auch dann aus, wenn es sich um den Erwerb eines Neuwagens handele (allgemein zum Anspruch nach § 852 S. 1 BGB beim Erwerb von Neuwagen mit unzulässiger Abschalteinrichtung: zfs 2022, 182). In diesen Fällen habe die Beklagte einen wirtschaftlichen Vorteil allenfalls im Zusammenhang mit der Herstellung und Veräußerung des Motors erlangt und nicht durch das Inverkehrbringen des nicht von ihr entwickelten und hergestellten Fahrzeugs der Tochtergesellschaft.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 109/2022 v. 14.7.2022
Digitalisierung
Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie
Am 21.7.2022 ist das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 15.7.2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl 2022 S. 1146). Es tritt zu großen Teilen am 1.8.2022 und z.T. erst am 1.8.2023 in Kraft. Das Gesetz weitet vor allem die Möglichkeit von Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen aus. Die bisherige Beschränkung auf bestimmte Rechtsträger entfällt. Zudem erstreckt es das Verfahren auch auf Anmeldungen im Partnerschafts-, Genossenschafts- und Vereinsregister.
Quelle: BundesratKOMPAKT zur 1023. Sitzung des Bundesrates am 8.7.2022
Steuerrecht
Senkung der Zinsen für Steuernachzahlungen
Am 22.7.2022 ist das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 12.7.2022 in Kraft getreten (BGBl I S. 1142). Das Gesetz senkt den Zinssatz für Steuernachzahlungen oder Erstattungen nach § 233a AO rückwirkend zum 1.1.2019 auf 0,15 Prozent pro Monat, also 1,8 Prozent pro Jahr. Die Angemessenheit des Zinssatzes soll zukünftig evaluiert werden, erstmals zum 1.1.2024. Damit soll der Forderung des BVerfG nach einer verfassungskonformen Ausgestaltung des bisher festen Zinssatzes entsprochen werden. Zudem passt das Gesetz einzelne Regelungen zur Mitteilungspflicht über grenzüberschreitenden Steuergestaltungen an unionsrechtliche Vorgaben an.
Quelle: BundesratKOMPAKT zur 1023. Sitzung des Bundesrates am 8.7.2022
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 9/2022, S. 482