VVG § 28; BGB § 242
Leitsatz
1. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der Falschbeantwortung einer Antragsfrage (hier: zur Abgabe einer Vermögensauskunft) liegt auch dann vor, wenn der VN diese falsch beantwortet, weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält.
2. Die Berufung auf Treu und Glauben trotz einer arglistigen Täuschung durch den VN kommt nur dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des VN zu berücksichtigen sind.
OLG Dresden, Beschl. v. 18.4.2024 – 4 U 67/24
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht aus einer Kaskoversicherung wegen des behaupteten Diebstahls eines Quads. Das Fahrzeug des Kl. ist bei der Bekl. kaskoversichert. VN ist der Kl. Das Quad wurde Anfang 2018 für einen Kaufpreis von 9.249,99 EUR brutto (abzüglich 210,09 EUR Transportkosten) angeschafft. Es wurde über die S … Bank finanziert, wobei Darlehensnehmer Herr A … W … war, weil der Kl. bei Banken keinen Kredit erhalten hätte. Im Versicherungsschein sowie im Nachtrag Nr. 2 ist der Fahrzeugwert mit 6.000,00 EUR angegeben.
Am Nachmittag des 5.12.2019 erstattete A … W … Anzeige bei der Polizei wegen der Entwendung des Quads. Er teilte hierbei mit, dass es zwei Fahrzeugschlüssel gebe, die beide der Kl. habe. Ebenfalls am 5.12.2019 zeigte der Kl. der Bekl. den Diebstahl des Quads an.
Am 25.3.2020 befragte der von der Bekl. beauftragte E.B. den Kl. telefonisch, fertigte über die Fragen und Antworten ein Protokoll, übersandte dieses dem Kl., der es unterzeichnete und zurücksandte. Auf die Frage Nummer 8, ob der Kl. allgemeine finanzielle Schwierigkeiten, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft – explizit aufgeführt ist auch die Nichtabgabe der Vermögensauskunft – abgegeben habe, antwortete der Kl. "Nein. So etwas habe ich nicht". Im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Leipzig ist zum Aktenzeichen DR II 3756/18 eine Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den Kl. vermerkt. Mit Schreiben vom 8.5.2020 versagte die Bekl. dem Kl. den Versicherungsschutz.
2 Aus den Gründen:
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aufgrund des behaupteten Diebstahlereignisses zu.
Dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, der Kl. also das äußere Bild eines Diebstahls hinreichend dargelegt hat und ob der Anspruch der Höhe nach substantiiert dargelegt wurde. Jedenfalls ist die Bekl. gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei.
Dies ergibt sich schon aus der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Kl. im Zusammenhang mit der Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
a) Ausweislich der … wurde der Kl. hinreichend gemäß § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten belehrt, hier anlassbezogen in Textform im Rahmen der Befragung durch den beauftragten Ermittler, wobei es wegen der Arglist des Kl. auf die Belehrung eigentlich nicht ankommt (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn 226). Gemäß E.1.1.3 AKB, die nach den unangegriffenen Feststellungen des LG auf den Vertrag Anwendung finden, war vereinbart: Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten.
Der Kl. hat bei Frage Nr. 8 des Fragebogens … verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO verweigerte und die Weigerung gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde.
Dieses Verschweigen erfolgte auch vorsätzlich. Zwar trägt der VR insoweit die Beweislast. Den VN trifft jedoch eine Substantiierungslast. Er muss die zu der Obliegenheitsverletzung führenden Umstände, die seiner Sphäre angehören, also z.B. die Gründe für etwaige objektive Falschangaben, dartun und der Nachprüfung zugänglich machen (OLG Celle, Urt. v. 30.11.2017 – 8 U 27/17; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 28 Rn 193).
Vorliegend war die Fragestellung im Befragungsbogen eindeutig. Der Kl. hat zudem auch nach der Übersendung des Protokolls der mündlichen Befragung trotz der damit eröffneten erneuten Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Frage/Antwort in Kenntnis seiner Nichtabgabe der Vermögensauskunft keine Rückfragen gestellt, sondern das Protokoll unstreitig unterzeichnet. Dass die Bekl. sich hierauf nicht berufen könne, weil sie ihn mit den Fragestellungen "aufs Glatteis" habe führen wollen, hält der Senat für abwegig.
c) Das Verschweigen erfolgte zudem auch arglistig, so dass es auf die Frage, ob die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich war, vorliegend nicht ankommt, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.
Arglist ist gegeben, wenn der VN bewusst und willentlich auf die Entscheidung des VR einwirkt, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt und dabei bewusst gegen die Interessen des VR verstößt, weil er ...