Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
1. Die Beanstandung, dass bei der in Frage stehenden Geschwindigkeitsmessung keine Rohmessdaten gespeichert wurden, greift nicht durch.
a) Ob eine Verpflichtung zu Messdaten besteht, die in die Messwertbildung eingeflossen sind, ist nach inzwischen gefestigter allgemeiner Meinung allein eine Frage des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 MRK). Nach der gesetzlichen Anordnung in § 80 Abs. 2 OWiG gebieten Verstöße gegen das Verfahrensrecht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG aber nur dann die Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn mit ihnen zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird. Eine (analoge) Anwendung dieser Vorschrift auf Verstöße gegen andere grundrechtliche Verfahrensgarantien kommt nicht in Betracht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2023 – 2 ORbs 35 Ss 147/23; KG, Beschl. v. 2.1.2023 – 3 Ws (B) 333/22; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 219/22).
b) Im Übrigen hält der Senat in Übereinstimmung mit nahezu der gesamten obergerichtlichen Rechtsprechung (u.a. OLG Schleswig SchlHA 2020, 42; OLG Bremen NStZ 2021, 114; OLG Dresden NJW 2021, 176; OLG Zweibrücken zfs 2022, 110) an seiner schon mehrfach geäußerten (Beschl. v. 25.5.2021 – 2 Rb 35 Ss 303/21, zfs 2021, 472) Rechtsauffassung fest, dass das Fehlen von Rohmessdaten entgegen der Auffassung des Saarländischen VerfGH (NJW 2019, 2456; dagegen auch VerfGH RP NZV 2022, 427; vgl. auch BVerfG NJW 2023, 2932) weder zu einem Beweisverwertungsverbot führt noch einen Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren begründet.
2. Soweit dem Betroffenen von ihm begehrte Informationen und Unterlagen, die sich nicht bei den gerichtlichen Akten befinden, trotz fortlaufender Bemühungen darum nicht zur Verfügung gestellt wurden, ist eine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dargetan.
a) Der Betroffene hatte sich – wie in der Antragsschrift eingehend dargelegt wird – fortlaufend um die Überlassung von Unterlagen im Zusammenhang mit der am 25.10.2021 mit einem stationären Messgerät vom Typ Traffistar S330 der Jenoptik Robot GmbH vorgenommenen Geschwindigkeitsmessung bemüht. Sukzessive waren ihm alle 75 von der Messanlage in der Zeit zwischen dem 18. und dem 25.10.2021 aufgezeichneten Falldatensätze der Messanlage, die Bedienungsanleitung, eine Dokumentation der an der Anlage vorgenommenen Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die Eintragungen bis zum 23.7.2020 enthielt, und ein Beschilderungsplan überlassen worden. In der Hauptverhandlung beantragte der Betroffene die Aussetzung der Hauptverhandlung bis zur Gewährung von Einsicht in folgende weitere Unterlagen:
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Statistik-/Logdatei zur Messreihe und Public Key der Messanlage |
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im Rahmen der Eichung bei Testmessungen aufgezeichnete Rohmessdaten/Signalverläufe mit Eich-CD/IPV_Eich |
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Jenoptik-Wartungsberichte und -sevicehistorien sowie Stellungnahmen der Firma Jenoptik Robot zur Eignung des Standorts für eine stationäre Messstelle |
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Schulungsnachweise des Messpersonals sowie der Ausbilder/Multiplikatoren des Mess- und Auswertepersonals |
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Zulassungsschein (Bauartzulassung) bzw. Baumusterprüfbescheinigung |
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verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung |
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Verträge und sonstige Unterlagen zur Zusammenarbeit mit Privatdienstleistern im Rahmen der Verkehrsüberwachung (Erfassung, Auswertung, Aufbereitung etc. von Verkehrsverstößen) |
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Verwendungsanzeige(n) bei der zuständigen Landesbehörde und aktuelle Listen gemäß § 32 Abs. 1, 2 MessEG |
Das AG wies den Antrag unter Anführung von § 77 Abs. 2 OWiG als "teils verspätet" zurück, weil die Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde, und im Übrigen mittels des geladenen technischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung die Erheblichkeit der begehrten Unterlagen zu klären sei. Aus dem Zusammenhang ergibt sich dabei, dass die Ablehnung als verspätet sich auf die Vernehmung eines Zeugen zur Klärung der Frage einer Beteiligung privater Unternehmen an der Geschwindigkeitsmessung bezog. Der Betroffene sieht darin nicht nur einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 MRK) und eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung, sondern auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.
b) Eine Versagung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist nach den für die Auslegung des Art. 103 Abs. 1 GG maßgebenden Grundsätzen zu bestimmen. Der Anspruch ist insbesondere verletzt, wenn ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Beteiligten verwertet hat, zu denen ...