StGB § 21 § 46 § 49 Abs. 1
Leitsatz
Selbst wenn auf Grund vom Täter zu verantwortender Trunkenheit eine Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt, hat der Tatrichter ab Blutalkoholkonzentrationswerten von 2 ‰ in den Urteilsgründen die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern, weil es sich bei der Strafzumessung im engeren Sinn (§ 46 Abs. 1 und 2 StGB) – neben dem möglicherweise strafschärfend wirkenden Vorverschulden (selbstverschuldete Berauschung) – zugunsten des Täters auswirken kann, wenn das durch die Alkoholisierung geminderte Maß an Schuld die Schwelle des § 21 StGB überschreitet.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG München, Beschl. v. 25.7.2008 – 4St RR 107/08
Sachverhalt
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm bei Anordnung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung die Fahrerlaubnis entzogen. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG die Tagessatzhöhe und die Dauer der Sperrfrist verändert.
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte am Tattag zwischen 1.00 Uhr und 3.00 Uhr mit einem Pkw auf einer Kreisstraße, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Der Angeklagte kam nach ca. 3 bis 4 km Fahrt nach links von der Fahrbahn ab und fuhr ca. 15 m gegen einen Straßengraben. Der Pkw stand sodann quer zur Fahrbahn, wobei das Fahrzeugheck im Straßengraben stand und die Frontseite in die Fahrbahn ragte. Der Angeklagte wurde um 3.15 Uhr von einer Polizeistreife schlafend auf dem Fahrersitz angetroffen, sein Beifahrer schlief ebenfalls. Eine dem Angeklagten am 10.8.2007 um 3.51 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,68 ‰ im Mittelwert.
Die Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich des Ausspruches über die Rechtsfolgen Erfolg.
Aus den Gründen
“ … ( … ) 2. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das LG hat sich nicht damit auseinander gesetzt, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Hinblick auf die Höhe der um 3.51 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,68 ‰ erheblich vermindert war. Denn eine Rückrechnung – die das LG unterlassen hat – der Blutalkoholkonzentration auf den frühestmöglichen Tatzeitpunkt um 1.00 Uhr ergibt bei Zugrundelegung eines maximalen stündlichen Abbauwertes von 0,2 ‰ und eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 ‰ (zur Berechnung vgl. BGH NStZ 1986, 114 [= zfs 1986, 28]; BGHSt 37, 231/237; BayObLG VRS 76, 423) einen Höchstwert von etwa 2,45 ‰.
Auf die Feststellung, ob die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt unbeeinträchtigt oder gem. § 21 StGB erheblich vermindert war oder dies zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, durfte das LG jedoch nicht verzichten. Unabhängig davon, ob eine mögliche verminderte Schuldfähigkeit zu einer Strafrahmenverschiebung gem. § 49 Abs. 1 StGB führt, ist die Feststellung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten stets erforderlich, da die Strafzumessung im Wesentlichen auf der Frage des Maßes der Schuld beruht. Das Vorliegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit verringert nämlich grundsätzlich den Schuldgehalt und damit die Strafwürdigkeit der Tat (Brandenburgisches OLG Beschl. v. 16.6.2004 – 1 Ss 50/04 – bei juris unter Hinweis auf BGH NStZ-RR 1996, 161). Gleichermaßen kann sich im Bereich der Strafzumessung im engeren Sinn die vom Angeklagten zu verantwortende Trunkenheit zu seinen Lasten auswirken.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das LG nach der gebotenen Erörterung der Voraussetzungen des § 21 StGB möglicherweise auf eine geringere Geldstrafe erkannt hätte. ( … )
4. Kommt der neue Tatrichter – gegebenenfalls unter Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen – zu dem Ergebnis, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert war, so hat dies keineswegs gewissermaßen automatisch eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zur Folge. Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies vielmehr in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich auf Grund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten voraussehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung (vgl. BGHSt 49, 239; BGH NStZ 2006, 274; Fischer StGB 55. Aufl. § 21 Rn 25 ff. m.w.N.). … .“
Mitgeteilt von RiOLG Dr. Philipp Stoll, München