Italien ist ein beliebtes Reiseziel, und viele deutsche Touristen und Transportunternehmen reisen mit ihrem Fahrzeug an, so dass es bereits die praktische Bedeutung gebietet, einen Blick über die Grenze zu werfen.
Seit der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 13.12.2007 in der Rechtssache C-463/06 (Odenbreit), über die Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Geschädigten für die Klage gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers nach einem Auslandsunfall kommt auf die deutschen Verkehrsanwälte vermehrt die Anwendung ausländischen Rechts zu. Sie werden dabei auf Richter treffen, die nur in seltenen Fällen mit den anzuwendenden Normen vertraut sind.
Wenn nach Art. 40 EGBGB feststeht, dass italienisches materielles Recht zur Anwendung kommt, stellt sich in der Praxis das Problem, abzugrenzen, ob es sich bei bestimmten italienischen Regelungen um solche des unanwendbaren italienischen Prozessrechts oder aber um materielles Recht handelt.
Für Überraschung sorgen können dabei insbesondere die Art. 144 Abs. 3 und 145 Abs. 1 des Gesetzes 209/05 (italienisches VVG). Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 sieht dabei vor, dass bei der klageweisen Geltendmachung des Direktanspruchs neben der Haftpflichtversicherung auch der Schädiger verklagt werden solle. Art. 145 Abs. 1 Dlgs 209/05 lässt die Klage erst nach Ablauf von 60 Tagen bei Sachschaden bzw. 90 Tagen bei Körperschäden zu, nachdem bei der Haftpflichtversicherung durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein der Schaden geltend gemacht wurde.
In einem noch laufenden Verfahren hat das AG München, Az. 344 C 9577/06 in einem Vermerk zur Rechtslage nun ausgeführt, dass beide Normen dem italienischen Prozessrecht zuzuordnen sind und auf das in Deutschland anhängige Verfahren keine Anwendung finden. Dem ist zuzustimmen, zumal die Regelung des Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 sonst in Deutschland nicht realisiert werden könnte, da sich aus den Art. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1b EuGVVO allein ein Gerichtsstand für den Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung, nicht aber für eine Klage gegen den Schädiger ergibt. Zur Sicherheit empfiehlt es sich jedoch, zumindest die leicht zu erfüllenden Voraussetzungen des Art. 144 Abs. 3 Dlgs 209/05 einzuhalten und die italienische Versicherung gleich zu Beginn der Mandatsbearbeitung per Einschreiben mit Rückschein zur Regulierung aufzufordern. Dieses Vorgehen erspart umfangreiche Schriftsätze und Verfahrensverzögerungen durch Rechtsgutachten. Gleichzeitig wird die Verjährung unterbrochen.
Wer zu Beginn der Schadensregulierung an die Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren denkt, sei auf die Entscheidung des Kassationsgerichts Nr 11605/05 hingewiesen. Die Gebühren sind danach zu erstatten, und zwar sogar dann, wenn die Versicherung des Schädigers den Schaden innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 60 Tagen reguliert (die entsprechende Fristenregelung findet sich in Art. 148 Dlgs 209/05).
Bei der Regulierung von Schäden, die aus dem Betrieb eines Kfz herrühren, ist Art. 2054 des Codice Civile (ital Zivilgesetzbuch; CC) die Anspruchsgrundlage. Für solche Schäden wird gehaftet, soweit nicht der Nachweis gelingt, alles zur Verhinderung des Schadens Mögliche getan zu haben.
Bei der Kollision zwischen zwei Fahrzeugen gilt die widerlegliche Vermutung hälftiger Mithaftung.
Spezialregelungen finden sich im Versicherungsrecht, z.B. in der Verordnung des Präsidenten der Italienischen Republik (D.p.r.) 254/2006 mit detaillierten Haftungsquoten bei bestimmten Unfallkonstellationen.