RVG § 58 § 59; VV RVG Nr. 2500; BerHG § 9

Leitsatz

In Fällen der Beratungshilfe sind angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen.

OLG Celle, Beschl. v. 29.12.2010 – 2 W 383/10

Sachverhalt

Die Beratungshilfe gewährende Rechtsanwältin hatte die Interessen der Rechtsuchenden in einem Widerspruchsverfahren gegen einen nach dem SGB II erlassenen Bescheid des Job-Centers über die Übernahme von Heiz- und Betriebskosten vertreten. Das Job-Center übernahm in seinem Widerspruchsbescheid die Heiz- und Betriebskosten teilweise und zahlte an die Anwältin die Hälfte der Wahlanwaltsvergütung, die sich wie folgt berechnete:

 
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 49,40 EUR
Summe: 309,40 EUR,
davon die Hälfte 154,70 EUR.

Für dieses Widerspruchsverfahren hat das AG H. nachträglich Beratungshilfe bewilligt. Die Rechtsanwältin beantragte hieraufhin Festsetzung die der gesetzlichen Vergütung für die geleistete Beratungshilfe nach § 44 RVG wie folgt:

 
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG 70,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 14,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 15,96 EUR
Summe: 99,96 EUR.

Der Urkundbeamte der Geschäftsstelle des AG hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Zahlung des Job-Centers sei in vollem Umfang auf die Beratungshilfe-Vergütung anzurechnen. Erinnerung und Beschwerde der Rechtsanwältin hatten keinen Erfolg. Das OLG C. hat die zugelassene weitere Beschwerde zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

“In Rspr. und Rechtsliteratur ist umstritten, ob in Fällen der Beratungshilfe Zahlungen des erstattungspflichtigen Gegners ohne Einschränkung auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen sind (so OLG Bamberg, Beschl. v. 16.1.2009, Az.: 4 W 171/08, zitiert nach juris Rdz. 4) oder aber eine Anrechnung in der Weise zu erfolgen hat, dass Zahlungen zuerst auf die Differenz zwischen der Vergütung nach Nr. 2500 ff. VVRVG und einer Vergütung nach Teil 1 und 2 des VV RVG, also auf den Teil anzurechnen sind, für den ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht (so LG Saarbrücken AGS 2009, 290 f. und ihm folgend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.7.2009, – 5 W 148/09. vgl. ferner Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 58 Rdz. 1).

Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 58 Abs. 1 RVG ist eindeutig. Danach werden Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 RVG (richtig: § 9 BerHG) von Seiten des kostenerstattungspflichtigen Gegner seines Mandanten erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung ohne Einschränkung angerechnet. Etwas anderes gilt gem. § 58 Abs. 2 RVG nur in den Fällen, in denen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach Teil 3 des VV RVG bestimmen. Hier erfolgt eine Anrechnung in der Weise, dass Zahlungen des Gegners zunächst auf die Vergütung anzurechnen sind, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht. § 58 Abs. 2 RVG betrifft also nicht Vergütungsansprüche, die sich ausschließlich auf Teil 1 und 2 des VV RVG stützen. Hierzu gehören aber die Gebühren für eine Beratungshilfe gem. Nr. 2500 ff. VV RVG. Angesichts dieser eindeutigen Differenzierung verbietet es sich, die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG auch auf Fälle des § 58 Abs. 1 RVG zu erstrecken. Ebenfalls nicht einschlägig ist § 59 RVG, denn diese Vorschrift erfasst nur den Fall, dass die Landeskasse die Anwaltsvergütung gezahlt hat und damit ein Erstattungsanspruch gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner auf die Landeskasse übergegangen ist.

Auch eine analoge Anwendung von § 58 Abs. 2 oder § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 RVG scheidet aus. Ausweislich der Motive zum RVG hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 RVG die Regelung aus § 9 S. 4 BerHG und in § 58 Abs. 2 die Regelung aus § 129 BRAGO übernommen (BT-Drucks. 15/1971, S. 203). Die nach altem Recht bestehenden unterschiedlichen Anrechnungsvoraussetzungen sind vom Gesetzgeber also bewusst unverändert übernommen worden. Im Übrigen weist das OLG Bamberg in dem oben zitierten Beschluss zu Recht darauf hin, dass die Beratungshilfe dem Rechtsanwalt einer mittellosen Partei nur eine Mindestvergütung sichern will und mehr nicht. Angesichts dessen ist kein Raum für eine analoge Anwendung. Es bedürfte vielmehr einer Gesetzesänderung.“

3 Anmerkung:

Der Entscheidung ist zuzustimmen.

Um die unterschiedlichen Anrechnungsregelungen in § 58 Abs. 2 RVG einerseits und § 59 Abs. 1 RVG andererseits besser verstehen zu können, muss man die dem Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt zustehenden Ansprüche betrachten.

Ansprüche des Beratungshilfe gewährenden Anwalts

Der im Rahmen der Beratungshilfe tätige Anwalt hat drei unterschiedliche Ansprüche gegen drei verschiedene Anspruchsgegner:

Gegen den Rechtsuchenden steht ihm gem. § 44 S. 2 RVG nur die Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 VV RVG zu.
Gegenüber der Landeskas...

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