BGB § 323 Abs. 5 S. 2
Leitsatz
1. Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist bei einem behebbaren Mangel ausgeschlossen, wenn die Kosten seiner Beseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Das ist – auch im gehobenen Preissegment – jedenfalls dann der Fall, wenn die Mängelbeseitigungskosten ein Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen.
2. Für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB kommt es auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist, etwa weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte.
BGH, Urt. v. 29.6.2011 – VIII ZR 202/10
Sachverhalt
Der Rechtsvorgänger der Kl. hatte von der Bekl. ein von deren Streithelferin hergestelltes Wohnmobil zum Preise von 134.437 EUR erworben, dessen Übergabe am 23.8.2006 erfolgte. Das Wohnmobil befand sich anschließend vier Mal zu Nachbesserungsarbeiten in der Werkstatt der Bekl. Der Rechtsvorgänger der Kl. hielt sich zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt und bezog sich auf zwei von ihm angeführte Mängel. Zum einen lasse sich die Eingangstür mit normalem Kraftaufwand nicht vollständig schließen; darüber hinaus falle der Luftdruck bei einem der Reifen von dem vorgeschriebenen Wert ab. Weiterhin könne das Klappfenster in geöffnetem Zustand mit der daneben liegenden Eingangstür kollidieren. Zur gewöhnlichen Verwendung einer Tür gehöre es, dass sie sich bis zum Anschlag an die Wand öffnen lasse. Für die Erheblichkeit der Mängel spreche es, dass es sich um ein Wohnmobil der oberen Preisklasse handele.
Das BG ging vom Vorliegen erheblicher Mängel aus. Dass der Mängelbeseitigungsaufwand durch Einbau eines Schiebefensters, Erneuerung der Ventilzuführung des Reifens und einer neuen Eingangstür sich auf weniger als 1 % des Kaufpreises beliefe, schlösse die Erheblichkeit der Mängel nicht aus. Angesichts der Vielzahl weiterer Mängel (abgerissener Griff der Außentür, verbogener Aluleiste, Erforderlichkeit der Umsetzung des Zusatzladegerätes und des Zusatzakkus, Fehlen von Gardinenstopper und Schlossschrauben an den Längsträgern sowie der Lästigkeit der erforderlichen Werkstattaufenthalten seien die Mängel insgesamt als erheblich anzusehen. Der BGH folgte dieser Begründung des BG, das ein Rücktrittsrecht der Kl. bejaht hatte, nicht.
2 Aus den Gründen:
[8] “… Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach §§ 346 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437, 440 BGB nicht bejaht werden.
[9] 1. Die Würdigung des BG, dass das von der Bekl. an den Rechtsvorgänger der Kl. verkaufte Wohnmobil Sachmängel insoweit aufweist, als ein Reifen Druck verliert und die Eingangstür sich mit normalem Kraftaufwand nicht vollständig schließen lässt, ist frei von Rechtsfehlern und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
[10] 2. Zu Recht beanstandet die Revision hingegen die Annahme des BG, ein weiterer Mangel liege darin, dass sich die Eingangstür bei geöffnetem Aufstellfenster nicht bis zum Anschlag an die Wand öffnen lasse. Das BG begründet dies damit, dass es zur gewöhnlichen Verwendung einer Tür gehöre, dass sie sich bis zum Anschlag an die Wand öffnen lasse, und der Käufer eines Wohnmobils erwarten könne, dass er die Eingangstür auch bei geöffnetem Fenster um 180 Grad öffnen könne. Dies trifft nicht zu.
[11] a) Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Sache mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Das BG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Anordnung von Ausstellfenster und Eingangstür Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung war, etwa aufgrund einer dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Modellbeschreibung. Sollte dies der Fall sein, läge in der gewählten Konstruktion, die bei geöffnetem Ausstellfenster nur eine Öffnung der Eingangstür bis zu 100 Grad erlaubt, schon aus diesem Grund kein Sachmangel.
[12] b) Soweit die Beschaffenheit einer Sache nicht vereinbart ist und sie sich – was hier nicht infrage steht – für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, ist eine Sache mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Danach liegt in der Anordnung von Eingangstür und Ausstellfenster kein Sachmangel. Denn die Funktion der Tür und des Ausstellfensters sind in vollem Umfang gegeben, sodass die Eignung des Wohnmobils zur gewöhnlichen Verwendung – als Fahrzeug und zum Wohnen – nicht infrage steht. Hinsichtlich der Beschaffenheit, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, kommt es auf die objektiv berechtigte Käufererwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert (Senatsurt. v. 7.2.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn 21, sowie v...