StGB § 142 Abs. 1
Leitsatz
Ein "Unfall im Straßenverkehr" liegt auch dann vor, wenn der Führer eines auf öffentlicher Straße geparkten LKWs beim Ladevorgang ein Blech statt auf die Ladefläche versehentlich gegen die Seitenwand des Lkw wirft und ein anderes Fahrzeug durch das abprallende Metallteil beschädigt wird.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Köln, Urt. v. 19.7.2011 – III-1 RVs 138/11
Sachverhalt
Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aus rechtlichen Gründen freigesprochen.
Das LG hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.
Es hat zur Sache Folgendes festgestellt:
“Der Angeklagte ist selbständiger Schrotthändler. Er hat keine Angestellten. Er fuhr im Jahr 2008 mit seinem auf ihn zugelassenen Lkw und sammelte Schrott ein. Am 19.4.2008, einem Samstag, führte der Angeklagte diesen Lkw im Bereich T, um Schrott zu sammeln. Der Zeuge S. befand sich zu dieser Zeit vor dem Haus A-Straße 1 in T, in dem er dem W. u.a. bei der Demontage einer Heizung half. Da er das "Bimmeln" des Schrotthändlers gehört hatte, stellte er diverse Bleche vor dem Haus ab und hielt den Angeklagten, als der mit seinem Lkw vorbeikam, an, weil dieser die Bleche mitnehmen sollte. Der Angeklagte parkte sodann seinen Lkw gegen 13.20 Uhr rechts auf der Straße vor dem Haus A-Straße 1 und stieg aus, um die Blechteile aufzuladen. Rechts neben dem Lkw stand in einer – nicht mehr genau feststellbaren – Entfernung von wenigen Metern auf dem Vorplatz vor dem Haus der von der M. dort geparkte Pkw. Vor dem Pkw befand sich ein Container. Der Zeuge S. reichte dem auf dem Vorplatz vor dem Haus zwischen Pkw und Lkw stehenden Angeklagten die Bleche an, welche dieser sodann über die Seitenwände auf die Ladefläche des Lkw warf. Eines der Bleche warf er nicht hoch genug, so dass es nicht über die Seitenwand flog, sondern von außen gegen die Seitenwand der Ladefläche prallte und von dort zurückflog und gegen die A-Säule des geparkten Pkw VW der Zeugin M. fiel und den Pkw beschädigte. Es entstand eine sichtbare Eindellung im unteren Bereich der A-Säule des Pkw. Die Reparatur des Schadens kostete ohne Mehrwertsteuer rund 1.890,– EUR.
Der Angeklagte hatte mitbekommen, dass durch seinen Fehlwurf das geparkte Fahrzeug beschädigt worden war. Er hob die Blechplatte vom Boden auf und warf sie auf den Lkw. Er kümmerte sich nicht weiter um den Schaden, sondern beendete seine Ladetätigkeiten, obwohl noch nicht alle Bleche aufgeladen waren, und stieg in seinen Lkw mit dem Bemerken zum Zeugen S., er müsse sofort weg, er käme aber wieder. Er fuhr sodann davon, ohne allerdings zum Unfallort zurückzukehren. Der Zeuge S., dem das Verhalten des Angeklagten verdächtig vorkam, notierte sich das Kennzeichen des anfahrenden Lkw sofort in seinem Handy. Der sodann von ihm informierte Zeuge W. rief die Polizei. Deren Fahndung im Umkreis blieb ergebnislos. Aufgrund des Kennzeichens konnte der Angeklagte aber als Halter ausfindig gemacht werden. Der Angeklagte und die Versicherung des Lkw sind durch rechtskräftiges Zivilurteil u.a. zur Zahlung von 2.600,84 EUR Schadensersatz an M. wegen ihres beschädigten Pkw verurteilt worden. Die Versicherung hat den Schaden inzwischen beglichen.“
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hebt das OLG das Urt. des LG mit seinen Feststellungen auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurück.
2 Aus den Gründen:
“ … . II. … . 1. Die Strafkammer hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Zwar genügen die Urteilsgründe den formalen Anforderungen an die Begründung einer solchen Entscheidung. Darin werden – auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung – die für erwiesenen gehaltenen Tatsachen geschildert und dargelegt, aus welchen Gründen das Gericht sie nicht für strafbar hält (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 267 Rn 34).
Die Rechtsausführungen der Strafkammer halten rechtlicher Überprüfung aber nicht stand. Entgegen der Auffassung des LG handelt es sich bei der Beschädigung des Pkw um einen “Unfall im Straßenverkehr’, wie ihn § 142 Abs. 1 StGB voraussetzt.
a) Ein Unfall in diesem Sinne ist jedes schädigende Ereignis, das mit dem Straßenverkehr und seinen Gefahren ursächlich zusammenhängt. Jedoch genügt nicht jedwede ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit einem Verkehrsgeschehen. Nicht jeder Unfall ist schon deshalb ein “Unfall im Straßenverkehr’ i.S.d. § 142 StGB, weil er sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Vielmehr setzt die Annahme eines “Verkehrsunfalls’ nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus. In dem “Verkehrsunfall’ müssen sich gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben (so insg. BGHSt 47, 158 = NJW 2002, 626 = DAR 2002, 132 = VM 2002, 17 = NZV 2002, 236 = zfs 2002, 198 = VRS 102, 52; vgl. OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 65, 431 [= zfs 1984, 62 L]). Eine solche Reduzierung des Tatbestandes ist erforderlich, um schädigende Geschehensabläufe von der Bewert...