GKG § 43 Abs. 1; ZPO § 4 Abs. 1 Hs. 1
Leitsatz
Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung und erhöht den Streitwert nicht.
BGH, Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 261/10
Sachverhalt
Die Kl. hatte die beklagte Bank vor dem LG aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Rückabwicklung einer Beteiligung an einem Medienfonds in Anspruch genommen. Gestützt auf den Vorwurf mehrerer Aufklärungs- und Beratungsfehler begehrte sie – Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Anteile – Rückzahlung der gezahlten Einlage zzgl. entgangenen Gewinns i.H.v. 8 % jährlich seit Zeichnung der Beteiligung sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klage hatte in den Vorinstanzen bis auf Teile des entgangenen Gewinns und der vorgerichtlichen Anwaltskosten Erfolg. Das OLG hat die Revision nur zugunsten der Bekl. zugelassen, die diese eingelegt und später wieder zurückgenommen hat. Hierdurch hatte die Anschlussrevision der Kl. ihre Wirkung verloren. Im Rahmen der Festsetzung des Streitwertes für das Revisionsverfahren hat der BGH Ausführungen auch zur Berücksichtigung der Nebenforderungen gemacht.
2 Aus den Gründen:
[14] “… Soweit die Bekl. sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von entgangenem Gewinn und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wendet, handelt es sich um Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, die den Streitwert nicht erhöhen. Dass die Kl. die Zinsen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns verlangt, ändert nichts daran, dass es sich um eine Nebenforderung der Hauptforderung auf Rückzahlung des investierten Kapitals handelt. Auch ein Schaden, der wie Zinsen als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung i.S.v. § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO (BGH VersR 1957, 244, 245; RGZ 158, 350, 351; OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.9.2010 – 19 W 46/10, juris Rn 6; Meyer, GKG, 13. Aufl., § 4 ZPO Rn 42; auch Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn 19 für Verzugsschaden; vgl. auch Senatsbeschl. NJW-RR 2000, 1015 zur Nutzungsentschädigung und Senatsbeschl. v. 17.3.2009 – XI ZR 142/08, juris Rn 3 zu Darlehenszinsen).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei entgangenen Anlagezinsen handele es sich um eine selbstständige Schadensposition, die von der Schadensersatzforderung bezüglich des Anlagekapitals unabhängig sei (vgl. dazu OLG Stuttgart BKR 2011, 250 Rn 34; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 714, 715; OLG Frankfurt WM 2012, 445; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.6.2011 – 17 U 173/10, juris Rn 6; OLG Frankfurt BKR 2010, 391, 392; Saenger/Bendtsen, ZPO, 4. Aufl., § 4 Rn 10; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 4 Rn 12 und 14; Hartmann, KostG, 42. Aufl., § 43 GKG Rn 3; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 4 Rn 8; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn 32; unergiebig BGH, Beschl. v. 29.4.1971 – III ZR 142/70 [= KostRsp. § 4 ZPO Nr. 30] und BGH, Beschl. v. 29.4.2010 – III ZR 145/09, juris Rn 1, 3). Macht ein Kl. ab dem Zeitpunkt des Eintritts des Verzugs seinen Verzugsschaden in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes geltend, so handelt es sich unzweifelhaft um eine nicht streitwerterhöhende Nebenforderung. Wenn der Kl. statt der gesetzlichen Verzugszinsen oder zusätzlich zu diesen entgangene Anlagezinsen geltend macht, ändert das nichts daran, dass es sich um eine von der Hauptforderung abhängige Nebenforderung handelt (BGH VersR 1957, 244, 245). Das gilt entsprechend, wenn entgangene Zinsen für den Zeitraum vor Eintritt des Verzugs begehrt werden, weil nur Schäden, die in anderer Form als der eines Zinsschadens geltend gemacht werden, von § 4 Abs. 1 ZPO nicht erfasst werden (RGZ 158, 350, 351).
[15] Die Kl. wendet sich demgegenüber mit ihrer Anschlussrevision ausschließlich dagegen, dass ihr entgangener (Zins-)Gewinn und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht in der vollen begehrten Höhe zugesprochen worden sind. Diese Forderungen sind bezüglich ihres Rechtsmittels daher Hauptforderungen (vgl. BGH NJW 2008, 999 Rn 7 f. und WM 1981, 1091, 1092), so dass sich der Streitwert der Anschlussrevision nach ihnen bemisst … .“
3 Anmerkung:
I. Anwendbare Gesetzesvorschriften
Bei der vom BGH vorgenommenen Festsetzung des Streitwertes für das Revisionsverfahren ist es nicht um den Zuständigkeitsstreitwert gegangen. Somit hat der BGH den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert festgesetzt.
Die vom BGH mehrfach herangezogene Bestimmung des § 4 ZPO war hier nicht einschlägig. Die Wertvorschriften der §§ 3 ff. ZPO betreffen lediglich den für die Zuständigkeit maßgeblichen Wert des Streitgegenstands oder den Wert des Beschwerdegegenstands, s. § 2 ZPO. Für den Gebührenstreitwert gelten die §§ 3 bis 9 ZPO gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG nur, soweit die §§ 39 ff. GKG keine abweichende Regelung treffen. Der Gebührenstreitwert für Nebenforderungen ist jedoch in § 43 GKG geregelt, der somit die Anwendung des § 4 ZPO ausschließt. Diese gesetzessystematischen Ausführungen sind nicht lediglich theoretischer Natur. Sie könne...