StVO § 41 Abs. 2 § 49; StVG § 24 § 25; BKatV § 2
Leitsatz
1. Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem System ESO ES 3.0 bedarf es keiner Dokumentation einer durch zwei Punkte definierten Fotolinie. Eine Markierung reicht.
2. Die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Nachtzeit einhergehenden Unbequemlichkeiten sind Folgen eines Fahrverbots, die typisch und gewollt sind und nicht zu einem Absehen vom Regelfahrverbot führen.
(Leitsätze des Einsenders)
AG Lüdinghausen, Urt. v. 5.3.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12
Sachverhalt
Am 26.9.2011 befuhr die Betr. um 15.56 Uhr in N-P die K2 in Höhe M-Straße 39 als Führerin eines Pkw. An der genannten Örtlichkeit ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts auf 50 km/h reduziert, da sich dort auf der Landstraße im Bereich einer leichten Kuppe aus Sicht der Betr. eine starke Rechtskurve befindet, in deren Bereich auch noch Zuwegungen vorhanden sind. Gleichwohl befuhr die Betr. die genannte Örtlichkeit mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h. Gemessen wurde diese Geschwindigkeit mit dem Messgerät ESO ES3.0. Das Messgerät zeigte eine Geschwindigkeit von 100 km/h an, so dass nach einem Toleranzabzug von 3 km/h sich die genannte Geschwindigkeit von 97 km/h ergibt.
Der Verteidiger hat unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des AG Lübben vom 16.3.2010 [= zfs 2010, 470] die fehlende ausreichende Dokumentation der Fotolinie gerügt.
Das AG verurteilt die Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 EUR und einem Fahrverbot von 1 Monat.
2 Aus den Gründen:
“… Der Verteidiger meinte, es sei erforderlich, dass die Fotolinie durch zwei Lübecker Hütchen markiert werde. Dem ist jedoch zu widersprechen. Die Bedienungsanleitung des genannten Messgeräts sieht ausdrücklich nur zumindest eine Markierung der Linie z.B. durch ein Lübecker Hütchen vor. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Dokumentation der Fotolinie für die Frage der Richtigkeit der Messung, d.h. der Richtigkeit des Messergebnisses ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Dokumentation der Fotolinie nur notwendig für die richtige Zuordnung des Messergebnisses, und zwar dann, wenn mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander her fahren. Hier ist jedoch auf das Messfoto Bl. 1 d.A. unten zu verweisen (auch hierauf wird nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen), auf dem sich gerade nur das von der Betr. geführte Fahrzeug erkennen lässt. Zuordnungsschwierigkeiten sind damit nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
Aus diesem Messfoto ergibt sich im Übrigen auch die von dem Messgerät gemessene Geschwindigkeit. Das Gericht hat nicht nur das Foto der Fotolinie und das Messfoto in Augenschein genommen, sondern auch das Datenfeld des Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine von dem Messgerät festgestellte Geschwindigkeit von 100 km/h, von der ein Sicherheitsabschlag von 3 km/h vorzunehmen war, so dass sich eine vorzuwerfende Geschwindigkeit von 97 km/h ergab.
Der Zeuge S hat im Übrigen für das Gericht nachvollziehbar bekundet, dass er das Messgerät entsprechend der Bedienungsanleitung aufgebaut und eingesetzt hat. …
Dementsprechend war die Betr. wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung gem. §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen.
Das Gericht hat hierfür mangels besonderer Umstände die Regelgeldbuße von 160 EUR entsprechend 11.3.7 Bußgeldkatalog festgesetzt. Den beengten wirtschaftlichen Verhältnissen der Betr. entsprechend, die lediglich ein monatliches Netto-Einkommen von 400 EUR hat, hat das Gericht eine Ratenzahlungsanordnung getroffen und monatliche Raten von 20 EUR bewilligt.
Ferner handelte es sich bei dem Geschwindigkeitsverstoß der Betr. um eine grobe Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG, deren Vorliegen aufgrund des gegebenen Regelfahrverbotstatbestands der Nr. 11.3.7 BKat indiziert war. Das Gericht war sich insoweit darüber bewusst, dass es unter Anwendung des § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung unter Erhöhung der Geldbuße von einem Fahrverbot hätte absehen können. Diese Möglichkeit hat das Gericht jedoch angesichts der Schwere des vorliegenden Verstoßes verneint. Bei Gesamtbetrachtung der Beschilderung und der Tatörtlichkeit erschien angesichts der nahezu 100 %-igen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Absehen vom Fahrverbot dem Gericht nicht für vertretbar. Die Betr. hat hinsichtlich des Fahrverbots Härten geltend gemacht. Sie hat dabei jedoch nicht geltend gemacht, dass sie in ihrem Ausbildungsbetrieb infolge eines Fahrverbots mit einer Kündigung zu rechnen habe. Sie hat von ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung folgenden Inhaltes erhalten: "Wunschgemäß können wir Ihnen bestätigen, dass Sie seit dem 1.8.2010 bei uns eine Ausbildung zur Konditorin absolvieren. Ihre Arbeitszeiten beginnen grds. nachts, manchmal um 01:00 Uhr manchmal um 04:00 Uhr. Ihre Ausbildungsstätte ist in L. Bei der Urlaubsregelung müssen wir aus organisatorischen Gründen darauf bestehen, nicht länger als 2 Wochen am Stück Urlaub zu planen, damit alle anderen Auszubildenden ebenfa...