“… II. Die Berufung der Bekl. ist unbegründet.
Da der Vertrag vor dem 1.1.2008 geschlossen und ein Versicherungsfall jedenfalls nicht vor dem 31.12.2008 eingetreten ist, ist das Rechtsverhältnis der Parteien, wie das LG zutreffend angenommen hat, nach dem neuen, seit 1.1.2008 gültigen Recht zu beurteilen. Steht in Frage, welche Folgen eine vor der Geltung des neuen Rechts verwirklichte Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten hat, ist nach in Rspr. und Lehre einhelliger Ansicht (LG Köln VersR 2010, 199; Grote/Finkel, VersR 2009, 312; Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 28. Aufl., Art. 1 EGVVG Rn 9 … ), die auch in den Gesetzesmaterialien verlautbart ist (BT-Drucks 16/3945, S. 118), nach dem sog. Spaltungsmodell zu differenzieren. Da Vorschriften, die bei dem Abschluss von Verträgen nach neuem Recht zu beachten sind, wie z.B. die Fragestellung in Textform nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG oder der nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG geforderte Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung, beim Abschluss von Altverträgen noch nicht beachtet werden konnten, muss die Frage, ob der Tatbestand einer Anzeigepflichtverletzung vorliegt oder nicht, nach dem bei Abschluss des Vertrags geltenden Recht beurteilt werden. Lediglich die Bestimmung der Rechtsfolgen richtet sich nach neuem Recht.
Für das Rücktrittsrecht sind daher als Rechtsfolgenregelungen § 19 Abs. 3, 4 VVG n.F. zu berücksichtigen. Denn diese Vorschriften ändern gegenüber dem früheren Recht die Rechtsfolgen der unrichtigen oder unvollständigen Anzeige gefahrerheblicher Umstände beim Abschluss eines Versicherungsvertrags. Das neue Recht schließt den Rücktritt aus, wenn weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgelegen haben, und bei grober Fahrlässigkeit, wenn der Vertrag gleichwohl, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen worden wäre.
Danach ist der Rücktritt im vorliegenden Fall ausgeschlossen.
Da wegen der N-Beschwerden und der P-Erkrankung im gesamten erfragten Fünf-Jahres-Zeitraum nur jeweils einmalige Arztkontakte bzw. Behandlungen erfolgten, kann es dem Kl. abgenommen werden, dass er diese Erkrankungen für nicht besonders bedeutsam hielt. Dies könnte eine Anzeigepflichtverletzung zwar nicht entschuldigen, schließt aber nach den hier gegebenen Umständen jedenfalls deren vorsätzliche Verletzung aus. Denn wie die Zeugin Z2 bekundet hat, hat der Zeuge Z1 bei der Antragsaufnahme die Antragsfragen zwar vorgelesen, aber auf Nachfrage zugleich erläutert, dass nicht alles angegeben werden müsse, wo man mal beim Arzt gewesen sei, nicht jede O, sondern Krankheiten, die möglicherweise in der Zukunft zu einer Berufsunfähigkeit führten. Wenn ein Agent einen VN dergestalt zu eigenen Bewertungen ermuntert, liegt es nahe, dass schon deshalb Beschwerden, die nur einmal zu Arztkontakten geführt haben und subjektiv nicht als gravierend oder fortwirkend empfunden werden, nicht vollständig angegeben werden. …
Ob dem Kl. der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, kann auf sich beruhen. Denn die Bekl. hätte den Vertrag auch in Kenntnis der ihr unbekannt gebliebenen Umstände abgeschlossen, wenn auch möglicherweise zu anderen Bedingungen, so dass deshalb der Rücktritt ausgeschlossen ist. Da der G-Schaden außerhalb des erfragten Zeitraums liegt, insoweit also keine Anzeigepflichtverletzung vorliegt, die L die Annahmeentscheidung nicht beeinflusst hätte, wäre es nach dem Vortrag der Kl. lediglich zu zwei Ausschlussklauseln wegen N-Beschwerden und P-Erkrankungen gekommen. Einen Vertragsschluss hätte die Bekl. aber nicht abgelehnt.
Das LG hat auch mit Recht festgestellt, dass der Vertrag “unverändert' fortbesteht. Der VR kann bei einem Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 19 Abs. 4 S. 1 VVG zwar nach S. 2 dieser Vorschrift verlangen, dass die anderen Bedingungen, zu denen er in Kenntnis der nicht angegebenen Umstände kontrahiert hätte, Vertragsbestandteil werden. Dieses Recht muss er aber gem. § 21 Abs. 1 VVG innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht geltend machen. Dies ist hier nicht geschehen; soweit die Bekl. im Schreiben vom 2.4.2009 lediglich pauschal ‘von dem … Recht der Vertragsanpassung’ Gebrauch machen wollte, genügt diese Erklärung nicht, weil sie nicht erkennen lässt, mit welchen bestimmten Ausschlussklauseln oder zu welcher veränderten Prämienhöhe der Vertrag fortgeführt werden soll. …“