[10] “( … ) II. Die Revision des Bekl. ist begründet. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Rechts des Kl., von seiner in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis der Klasse B in Deutschland Gebrauch zu machen, sind erfüllt. Der Aberkennungsentscheidung des Bekl. steht weder der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz noch – anders als das BG meint – das Berücksichtigungsverbot des § 3 Abs. 3 StVG entgegen. Das Berufungsurteil verstößt insoweit gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

[11] 1. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Aberkennung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügungen (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 28.4.2010 – BVerwG 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10 <11> m.w.N. [= NZV 2010, 585]), hier also des Widerspruchsbescheids v. 19.4.2010.

[12] Zugrunde zu legen sind danach das StVG in der Fassung der Bekanntmachung v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310, ber. S. 919), hier zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Beschl. des Rates 2008/615/JI v. 23.6.2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insb. zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (EGBes615/2008UmsG) v. 31.7.2009 (BGBl I S. 2507), und die FeV v. 18.8.1998 (BGBl I S. 2214), hier zuletzt geändert durch die Sechsundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 5.8.2009 (BGBl I S. 2631).

[13] Offenbleiben kann, ob sich der unionsrechtliche Maßstab – wie das BG angenommen hat – aus der 3. EU-Führerscheinrichtlinie, der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.12.2006 über den Führerschein (ABl EU L Nr. 403 S. 18), hier zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/113/EG der Kommission v. 25.8.2009 (ABl EU L Nr. 223 S. 31), ergibt, oder ob noch die 2. EU-Führerscheinrichtlinie, die Richtlinie des Rates v. 29.7.1991 über den Führerschein 91/439/EWG (ABl EG L Nr. 237 S. 1), zugrunde zu legen ist, die im hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt durch die Richtlinie 2009/112/EG der Kommission v. 25.8.2009 (ABl EU L Nr. 223 S. 26) geändert wurde.

[14] Der erkennende Senat geht in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung der Instanzgerichte und dem deutschen Verordnungsgeber bislang davon aus, dass die 3. EU-Führerscheinrichtlinie, soweit es um die Anerkennung oder die Entziehung einer ausländischen EU-/EWR-Fahrerlaubnis geht, nur auf solche Fahrerlaubnisse Anwendung findet, die ab dem 19.1.2009 im EU-/EWR-Ausland erteilt worden sind (vgl. zuletzt Urt. v. 25.8.2011 – BVerwG 3 C 25.10 – [zfs 2011, 710 =] BVerwGE 140, 256 Rn 12; ebenso bereits Urt. v. 28.4.2010 a.a.O. Rn 11). Er entnimmt das Art. 18 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 11 Abs. 1 und 3 bis 6 mit den Regelungen über den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung von Führerscheinen ab dem 19.1.2009 gelten, in Verbindung mit dem 5. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, wonach vor dem Beginn der Anwendung dieser Richtlinie erworbene Fahrerlaubnisse unberührt bleiben sollen. Das legt den Schluss nahe, dass die 3. EU-Führerscheinrichtlinie keine Geltung für vor dem 19.1.2009 erworbene Fahrerlaubnisse beansprucht (vgl. Urt. v. 25.8.2011 a.a.O. Rn 12). Diese Sichtweise hat den Vorzug, dass sich die Erteilungsvoraussetzungen, für die der Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis maßgeblich ist, und von deren Erfüllung wiederum die Reichweite der den Aufnahmemitgliedstaat treffenden Anerkennungspflicht abhängt, nach demselben unionsrechtlichen Maßstab beurteilen, ungeachtet dessen, ob der Aufnahmemitgliedstaat diese Fahrerlaubnis vor oder nach dem 19.1.2009 entzieht. Demgegenüber nimmt der EuGH im Urt. v. 1.3.2012 – Rs. C-467/10, Baris Akyüz – (NJW 2012, 1341 <1342> Rn 31 ff. [zfs 2012, 359, Leits.]) an, dass Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG seit dem 19.1.2009 unabhängig davon anwendbar seien, ob der Führerschein ausgestellt wurde, bevor die genannten Vorschriften anwendbar wurden. Deshalb sei diese Richtlinie in Bezug auf eine Fahrt anwendbar, die der Betr. mit dieser Fahrerlaubnis nach dem 19.1.2009 durchgeführt hat (a.a.O. Rn 33), auch wenn sie bereits am 24.11.2008 ausgestellt worden war.

[15] Zugleich stellt der EuGH in seinem Urt. v. 1.3.2012 aber fest, dass die von ihm zur 2. EU-Führerscheinrichtlinie entwickelten Grundsätze auf die 3. EU-Führerscheinrichtlinie zu übertragen seien (a.a.O. Rn 60 ff.). Damit gelten zwar auch unter der neuen Richtlinie die strengen Vorgaben des unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes (a.a.O. Rn 40 ff.), doch ist der Aufnahmemitgliedstaat auch unter der Geltung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie etwa dann zur Nichtanerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis berechtigt, wenn sie unter einem i.S.d. Entscheidungen v. 26.6.2008 (EuGH, Rs. C-329/06 u. C-343/06, Wiedemann und Funk – [zfs 2008, 473 =] Slg. 2008, I-4635, Rs. C-334/06 u.a., Zerche u.a. – Slg. 2008, I-4691) of...

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