[5] “… I. Nach Auffassung des BG ist aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine Berufsunfähigkeit der Kl. zum 31.3.2006 ausgeschlossen. Die Bekl. sei auch nicht dadurch leistungsfrei geworden, dass bei der Kl. am 23.6.2006 eine arterielle Verschlusserkrankung festgestellt wurde, die nach Wertung des Sachverständigen unter Einbeziehung der orthopädischen Beschwerden bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit herbeigeführt habe, denn dieser Befund sei der Bekl. erst mit Übersendung des Gutachtens und damit mehrere Monate nach dem streitigen Leistungszeitraum bekannt geworden. Die Bekl. habe sich auf den Befund erst ab Kenntnis berufen können. …
[6] II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[7] Die Ansicht des BG, die Bekl. habe sich auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Berufsunfähigkeit der Kl. erst ab Kenntnis berufen können, ist rechtsfehlerhaft.
[8] 1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das BG aufgrund des Sachverständigengutachtens angenommen, dass die Bekl. nicht wegen Berufsunfähigkeit der Kl. nach § 19 (1) b RB/KT 94 zum 31.3.2006 leistungsfrei geworden ist.
[9] Berufsunfähigkeit liegt danach vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Es geht danach um einen Zustand, dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann (Senatsurt. v. 30.6.2010 IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115, 127 Rn 30 m.w.N.).
[10] Zwar hatten die von der Bekl. beauftragten Gutachter bei der Kl. bereits zum 31.3.2006 eine deutlich mehr als 50 % betragende Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf nicht absehbare Zeit nach Aktenlage festgestellt. Dieses Ergebnis hat der vom Gericht bestellte Gutachter aber nicht bestätigt, sondern ausgeführt, eine Berufsunfähigkeit der Kl. bestehe erst seit Feststellung einer arteriellen Verschlusskrankheit am 23.6.2006. Die beweisbelastete Bekl. hatte damit nach den rechtsfehlerfreien und nichtangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen nicht den Beweis erbracht, dass die Kl. bereits zum 31.3.2006 berufsunfähig war.
[11] 2. Soweit das BG aber eine Leistungsfreiheit der Bekl. auch für die Zeit ab dem 23.6.2006 abgelehnt hat, beruht dies auf einer nicht zutreffenden Interpretation des Senatsurt. v. 30.6.2010 (a.a.O. 128 f. Rn 31 ff.). Diesem lässt sich entgegen der Ansicht des BG nicht entnehmen, dass sich der VR nur auf solche medizinischen Befunde berufen kann, die er vor seiner Behauptung der Berufsunfähigkeit beigezogen und ausgewertet hatte.
[12] Die Prognose der Berufsunfähigkeit ist für den Zeitpunkt zu stellen, für den der VR das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die “medizinischen Befunde' d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete VR für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben (a.a.O. 128 Rn 31) und dem VR bekannt geworden sind. Entscheidend ist nicht, wann und wie der VR in der Folge Kenntnis von der Berufsunfähigkeit erlangt, sondern wann diese eingetreten ist. Die Prognose der Berufsunfähigkeit kann also auch rückschauend für den Zeitpunkt gestellt werden, für den der VR das Ende seiner Leistungspflicht behauptet, allerdings muss dies aus der Sicht ex ante geschehen, das heißt ohne Berücksichtigung des weiteren Verlaufs nach diesem Zeitpunkt. Bei einem nachträglich erstellten Gutachten wie hier muss der Verlauf zwischen dem Zeitpunkt, für den der VR das Ende seiner Leistungspflicht behauptet, und dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen außer Betracht bleiben.
[13] Das bedeutet, dass es vorliegend darauf ankommt, ob sich für den Zeitpunkt 23.6.2006 aus der maßgeblichen Sicht ex ante eine Prognose der Berufsunfähigkeit der Kl. stellen lässt. Dazu hat das BG bislang keine Feststellungen getroffen. Nachdem die Bekl. das von ihr behauptete Ende der Leistungspflicht zum 31.3.2006 nicht hatte nachweisen können, hat sie mit Schriftsatz vom 22.1.2008 das Ende ihrer Leistungspflicht jedenfalls für den 23.6.2006 behauptet. Dem hätte das BG nachgehen müssen, da für dieses Datum – was ausreichend war – aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens rückschauend auch ein medizinischer Befund vorlag. …“