Zunächst sollen mögliche Bedenken thematisiert werden. Eine Analogie zu § 153a StPO findet hier gerade nicht statt, sondern eine Auslegung der Norm unter Berücksichtigung des Opportunitätsgrundsatzes. Dessen Stärkung wird immer einmal wieder gefordert, gleichzeitig aber auch gerügt, dass das Instrument der Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen durch die Verwaltungsbehörden (§ 47 Abs. 1 S. 2 OWiG) bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung kaum eingesetzt wird. Es stellt insoweit durchaus einen Widerspruch dar, dass im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten während des behördlichen Verfahrens in der Praxis nahezu das Legalitätsprinzip herrscht, während im Strafverfahren das Opportunitätsprinzip durch §§ 153 ff. StPO stetig mehr Raum greift. Hier könnte durch eine verstärkte Anwendung des Opportunitätsgedankens eine Entlastung der Gerichte erreichbar sein. Einstellungen aus Opportunitätsgründen müssen aber in jedem Fall das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) beachten und dürfen deshalb nicht willkürlich erfolgen.
Zudem ist im Rahmen des Opportunitätsprinzips entscheidend, ob die Durchführung des Verfahrens und gegebenenfalls die Ahndung notwendig und angemessen sind, um die Verkehrsdisziplin allgemein und beim einzelnen Betroffenen zu steigern. Würde ein in Lohn und Brot stehender Verkehrsteilnehmer auf einmal zur gemeinnützigen Arbeit während seiner Freizeit verpflichtet, wäre das für diesen ein durchaus merklicher erzieherischer Effekt, der seine Verkehrsdisziplin, auch zur Vermeidung gleichgelagerter Fälle in der Zukunft durchaus stärken könnte.
Der bloße Wortlaut des § 47 OWiG verbietet eine vorläufige Einstellung a maiore ad minus ebenfalls nicht. Auch ein Vergleich mit dem JGG unterstützt die Überlegung der vorläufigen Einstellung. Die oben schon angekündigten Fallkonstellationen betreffen typischerweise Jugendliche (begleitetes Fahren) und Heranwachsende (Probezeit), so dass teilweise der Jugendrichter auch für die entsprechenden Bußgeldverfahren zuständig ist, sofern der gerichtliche Geschäftsverteilungsplan keine anderweitige Zuordnung vorsieht. Der Jugendrichter ist dank des § 47 JGG bzw. dank des Sanktionenregimes des JGG bereits in hohem Maße prädestiniert, Rechtsfolgen in Form von Auflagen und Weisungen zu verhängen oder zu erdenken, um auf den jugendlichen Delinquenten erzieherisch einzuwirken. Klassisches Beispiel hierfür ist der Verstoß gegen § 21 StVG, der bei einem Ersttäter durchaus mit einer Einstellung nach § 47 JGG samt der Weisung, an einem Verkehrserziehungskurs teilzunehmen, ggf. noch zzgl. einer Arbeitsauflage, sanktioniert werden kann. Nun sieht sich der Jugendrichter im Bußgeldverfahren mit dem § 47 OWiG konfrontiert. Vergleicht man die Situation mit dem Jugendstrafverfahren, wo bei einer Straftat auch eine vorläufige Einstellung ganz unproblematisch herangezogen wird, kann man auch wertungsmäßig eine solche Verfahrensbeendigung in Bußgeldsachen durchaus bejahen. Immerhin ist § 47 OWiG lex specialis zu § 47 JGG.
Zu Recht wird geschrieben, dass abstrakt besonders gefährliche Verstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen regelmäßig nicht zu einer Einstellung nach § 47 OWiG führen sollen. Dies würde sich auch durch die vorläufige Einstellung nicht ändern, wohl aber wäre das Handlungsspektrum des Bußgeldrichters in besonderen Situationen erweitert. Denn die hier vorgeschlagene Lösung soll nur für nun zu beschreibende besondere Fallgestaltungen, quasi als Ausnahme zu der Regel, herangezogen werden.