StVZO § 11 Abs. 6 a.F.; FeV § 18 Abs. 2 S. 3, S. 4
Leitsatz
Die Regelung, dass der Zeitraum zwischen Abschluss der Prüfung und Aushändigung des Führerscheins zwei Jahre nicht überschreiten darf, trägt dem Grundsatz Rechnung, dass nach zwei Jahren ohne Fahrberechtigung (die Fahrerlaubnis wird durch Aushändigung des Führerscheins erteilt) nicht mehr vermutet werden kann, dass der Betreffende noch über die zur Teilnahme am Verkehr erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Diese Zielsetzung des Verordnungsgebers würde jedoch offensichtlich verfehlt, wenn man für eine Aushändigung i.S.v. § 18 Abs. 2 S. 3 FeV ausreichen ließe, dass ein fehlerhaft ausgefertigter Führerschein lediglich kurzzeitig übergeben und in den Händen gehalten und sogleich wieder zurückgegeben wird, da in diesem Fall der Fahrerlaubnisbewerber von seinen in der Fahrausbildung erworbenen Kenntnissen und praktischen Fähigkeiten keinen Gebrauch machen und diese verfestigen kann. Nach Sinn und Zweck von § 18 Abs. 2 S. 3 FeV wird deshalb ein Führerschein nicht im Sinne dieser Vorschrift ausgehändigt, wenn er nach kurzzeitiger Übergabe in der Fahrerlaubnisbehörde verbleibt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.7.2014 – OVG 1 N 56.13
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darum, ob die von der Kl. bestandenen Prüfungen für die Fahrerlaubnisklasse A (beschränkt) nach § 18 Abs. 2 S. 3 und 4 FeV ihre Gültigkeit verloren haben, weil der Kl. ein Führerschein der Klasse A innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Abschluss ihrer praktischen Fahrprüfung nicht ausgehändigt worden sei.
Die Kl. hat ihre Klage, mit der sie die Verurteilung des Bekl. zur Aushändigung eines Führerscheins der Klassen A (und B) begehrt, im Wesentlichen damit begründet, dass sie den auch die Klasse BE beinhaltenden Führerschein am 20.11.2008 in Händen gehabt, diesen jedoch wegen der fehlerhaften Eintragung der Klasse BE zurückgegeben habe; der Führerschein sei ihr daher auch im Rechtssinne ausgehändigt worden, wodurch die Frist des § 18 Abs. 2 S. 3 FeV unterbrochen worden sei.
Das VG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kl. auch nach ihrem Vorbringen ein um die Klasse A erweiterter Führerschein nicht im Rechtssinne ausgehändigt und ihr diese Fahrerlaubnis deshalb nicht erteilt worden sei. Ihr Sachvortrag über die Geschehnisse am 20.11.2008 erfülle nicht die maßgeblichen Voraussetzungen von § 25 Abs. 5 (S. 1) FeV. Darin sei die Aushändigung eines neuen Führerscheins im Rahmen der Erweiterung der Fahrerlaubnis als zweiaktiges Verfahren ausgestaltet, in dem bei Aushändigung des neuen Führerscheins der bisherige Führerschein einzuziehen oder ungültig zu machen sei. Eine Aushändigung (i.S.v. § 18 Abs. 2 S. 3 FeV) sei also erst dann abgeschlossen, wenn die Behörde den neuen Führerschein herausgegeben habe und der bisherige Führerschein eingezogen oder ungültig gemacht worden sei. Dass dieses zweistufige Verfahren beendet gewesen sei, habe die Kl. nicht vorgetragen, denn sie habe am 20.11.2008 allenfalls den vorliegenden Führerschein in Händen gehalten, bis sie dessen fehlerhaften Inhalt erkannt und ihn zurückgereicht habe. Ihren alten Führerschein mit den Klassen A1 und B habe sie behalten; er sei weder eingezogen noch ungültig gemacht worden. Das Verfahren zur Aushändigung des neuen Führerscheins sei daher nicht abgeschlossen gewesen. Der mit der Klage begehrte Führerschein könne ihr jetzt nicht mehr ausgehändigt werden, weil sie die Voraussetzungen zur Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse A nicht mehr erfülle, denn ihre theoretische und praktische Fahrprüfung sei wegen Überschreitens des in § 18 Abs. 2 S. 3 FeV bestimmten Zeitraums von 2 Jahren gegenstandslos geworden.
2 Aus den Gründen:
" … II. … 1. Das VG hat im Ergebnis richtig entschieden, dass die Kl. die Herausgabe eines Führerscheins für die Klasse A nicht (mehr) verlangen kann."
Die Zulassungsbegründung wendet hiergegen ein, dass die Rechtsfrage, wann von einer Aushändigung i.S.v. § 18 Abs. 2 FeV auszugehen ist, nicht eindeutig aus dem Gesetz zu beantworten sei. Nach Ansicht der Kl. handele es sich dabei um einen Realakt, der lediglich die (hier streitig gebliebene) stoffliche Übergabe des Dokuments voraussetze. Da zu dieser Frage keine obergerichtliche Entscheidung existiere, liege eine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, weshalb auch der Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel gegeben sei.
Mit diesem Vorbringen werden ernstliche Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt. Die Zulassungsbegründung setzt sich schon nicht mit der das Urteil tragenden Erwägung des systematischen Zusammenhangs von § 18 Abs. 2 S. 3 FeV mit § 25 Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 FeV auseinander, sondern verweist nur auf den Wortlaut der inmitten stehenden Norm. Dieser steht der Auslegung des VG jedoch nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sichdas Ergebnis des angegriffenen Urteils auch nach Sinn und Zweck von § 18 Abs. 2 FeV als richtig darstellt, denn § 18 Abs. 2 S. 3 und 4 FeV liegt offen...