EuGVVO Art. 9 Abs. 1; EGVVG Art. 7 ff.; AVB Mobile (Luxemburg) Ziff. 1.4.1.2., 1.4.4.4., 1.4.1.9
Leitsatz
1. Zur Zuständigkeit deutscher Gerichte und zur Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts bei Ansprüchen wegen Entwendung eines in Luxemburg zugelassenen Kfz in Deutschland.
2. Zur Höhe der Entschädigung bei Inanspruchnahme eines Mietwagens nach luxemburgischen Versicherungsbedingungen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.3.2013 – 5 U 463/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Fahrzeugversicherung. Zwischen der Kl., die Wohnsitze in Luxemburg und Deutschland unterhält, und der Bekl., einem in Luxemburg ansässigen VR, bestand ein Kaskoversicherungsvertrag für das Fahrzeug H, das im Luxemburg zugelassen war. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen "Mobile" der Bekl. zu Grunde. Die Kl. hatte das versicherte Fahrzeug am 30.1.2008 für 25.470 EUR in Luxemburg erworben. Das Fahrzeug wurde am 21.1.2009 in W (Deutschland) bei einem Kilometerstand von 8.681 km gestohlen. Am selben Tag fand man es unfallbeschädigt – nach einem außergerichtlichen Gutachten v. 30.1.2009 mit wirtschaftlichem Totalschaden – wieder auf. Der Verkehrswert des Fahrzeugs vor dem Unfall hatte bei 22.000 EUR gelegen, der Restwert danach bei 7.240 EUR. Außerdem war ein fest installierter Navigator (Neupreis: 320 EUR) entwendet worden. Die Kl. erwarb ausweislich einer Rechnung v. 18.2.2009 einen neuen H zum Preis von 24.350 EUR. Bis zur Lieferung des Ersatzfahrzeugs im Zeitraum vom 22.1. bis zum 25.2.2009 mietete sie ein anderes Fahrzeug an.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Die Klage ist zulässig."
a. Zu Recht hat das LG S seine örtliche (internationale) Zuständigkeit bejaht.
(Internationale Zuständigkeit)
(1) Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt für den vorliegenden Fall aus Art. 9 Abs. 1b EuGVVO. Danach kann ein VR, der – wie hier die Bekl. – seinen “Wohnsitz‘ (Art. 60 EuGVVO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, bei Klagen des VN in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Kl. seinen Wohnsitz hat. Diese Voraussetzungen, über die das erkennende Gericht gem. Art. 59 Abs. 1 EuGVVO unter Anwendung seines eigenen, hier also des deutschen Rechts zu befinden hatte, lagen im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung vor. … Die Kl. unterhielt einen Wohnsitz (§ 7 Abs. 1 BGB) in W, mithin im Gerichtsbezirk des LG S. Dort verfügte sie über eine Wohnung, in der sie polizeilich gemeldet war und in der sie sich nach ihrem, von der Bekl. nicht bestrittenen Vortrag zumindest außerhalb der Schulferien – ihr Sohn geht in W zur Schule – überwiegend aufhält. Der Diebstahl des Fahrzeugs erfolgte im Anschluss an eine Nacht, die die Kl. mit Bekannten in W verbracht hatte. Das alles zeigt, dass die Kl. diesen Ort – zumindest auch – als Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse ansieht (vgl. BGH NJW 2006, 1808). Dass sie in Luxemburg einen (weiteren) Wohnsitz unterhält, ändert daran nichts (siehe § 7 Abs. 2 BGB). Wo sich der Hauptwohnsitz befindet, ist unerheblich, weil jeder Wohnsitz für den Betroffenen einen allgemeinen Gerichtsstand begründet (RGZ 102, 86 … ). Die Bekl. wird dadurch auch nicht unangemessen benachteiligt. Den europarechtlichen Regelungen liegt die Erwägung zugrunde, dass der VR kompetenzrechtlich nicht schutzwürdig sei. … Der Bekl. ist es daher zuzumuten, sich ggf. auch im Ausland gegen die Klage ihres (auch) dort wohnhaften Vertragspartners zu verteidigen.
(Gerichtsstandvereinbarung)
(2) Die in Ziff. 2.4.4. der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, wonach “für alle aus dem Versicherungsvertrag entstehenden Rechtsstreitigkeiten [ … ] ausschließlich die Gerichte des Großherzogtums Luxemburg, unbeschadet der Anwendung internationaler Verträge oder Abkommen, zuständig‘ sind, schließt die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Verfahren nicht aus. Gem. Art. 13 EuGVVO unterliegen Vereinbarungen über die Zuständigkeit in Versicherungssachen strengen Restriktionen. Sie dürfen lediglich in den dort abschließend genannten Fällen getroffen werden, von denen hier, wie das LG zutreffend ausführt, keine einschlägig ist. Der Senat nimmt insoweit auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug. Ergänzend ist anzumerken, dass die in Art. 13 Nr. 3 EuGVVO vorgesehene Ausnahme hier jedenfalls auch deshalb nicht eingreift, weil der dort genannte Fall nach allgemeiner Auffassung lediglich eine Derogation des forum delicti commissi (Art. 10 EuGVVO), nicht jedoch des allgemeinen Gerichtsstands aus Art. 9 Abs. 1 EuGVVO ermöglichen soll (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, Art. 14 EuGVVO Rn 3 … ).
(3) … b. Zu Unrecht wendet die Bekl. sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 3.420 EUR nebst Zinsen. Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen Diebstahls des versicherten Fahrzeugs in dieser Höhe.
(Anwendbares Recht)
(1) Auf das Vertragsverhältnis ist luxemburgisches Recht anzuwenden. Das folgt aus den versicherungsvertragsrechtlich...