RVG § 7 Abs. 2 § 8 Abs. 1 § 10; BRAO § 49b Abs. 5
Leitsatz
1. Die anwaltliche Vergütung ist bei einer Mehrheit von Auftraggebern nicht einforderbar, wenn sich der gem. § 10 Abs. 1 RVG erteilten Berechnung des Rechtsanwalts nicht entnehmen lässt, welche Gebühren und Auslagen jeder der Auftraggeber nach § 7 Abs. 2 RVG schuldet.
2. Die Verletzung der vorvertraglichen Hinweispflicht des Rechtsanwalts über die Abrechnung nach dem Gegenstandswert führt nicht automatisch zum Verlust des Vergütungsanspruchs, sondern begründet einen von dem Mandanten darzulegenden Schadensersatzanspruch.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Kerpen, Urt. v. 17.7.2014 – 102 C 93/14
Sachverhalt
Die beiden Bekl. hatten den klagenden Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Tätigkeit in einer WEG-Sache beauftragt. Nach Beendigung des Mandats erteilte der Anwalt den Mandanten die Rechnung Nr. 2743, die diese nicht bezahlten. Hierauf hin erhob der Kl. vor dem AG Kerpen Vergütungsklage, mit der er – soweit hier von Interesse – die Verurteilung der Bekl. zu 1 i.H.v. 450,53 EUR und den Bekl. zu 2 i.H.v. weiteren 150,18 EUR jeweils nebst Zinsen begehrte. Das AG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … I. Die Klage war abzuweisen, da die Forderung derzeit nicht fällig ist. Zwar lässt sich dem Grunde nach ein Anspruch des Kl. bejahen. Unstreitig ist zwischen den Parteien ein anwaltlicher Dienstvertrag gem. §§ 611, 675 BGB zu Stande gekommen. …"
Soweit die Beklagtenseite vorbringt, dass der nach § 49b Abs. 5 BRAO erforderliche Hinweis nicht gegeben worden sein soll, ist dieses unschädlich. Die Verletzung der Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO, wonach der Anwalt den Mandanten darauf hinzuweisen hat, dass sich die Gebühren im konkreten Fall nach dem Gegenstandswert richten, führt nicht zum Verlust des Honoraranspruchs des Anwalts, sondern allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten (LG Magdeburg, Urt. v. 21.10.2010 – 9 O 613/10, juris). Ein entsprechender Vermögensschaden wird von der Beklagtenseite nicht einmal behauptet.
II. Allerdings steht der Geltendmachung der Forderung ein die Fälligkeit hemmendes Hindernis entgegen, da es an einer ordnungsgemäßen Berechnung gem. § 10 RVG fehlt.
Gem. dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diesen Anforderungen genügt die von der Klägerseite vorgelegte Berechnung v. 24.10.2010 derzeit nicht.
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass auf der Auftraggeberseite zwei Mandanten stehen und die Abrechnung diesen Umstand berücksichtigen muss. Für eine ordnungsgemäße Abrechnung in diesem Fall ist zwar nicht erforderlich, dass die Abrechnung gegenüber beiden Auftraggebern erfolgt. Insoweit ist ausreichend, alle Auftraggeber in der Abrechnung aufzuführen (LG Mannheim RVGreport 2012, 414 (Hansens) = AGS 2012, 324 m. Anm. N. Schneider). Allerdings muss die Abrechnung dann dem Tatbestand des § 7 Abs. 2 RVG Rechnung tragen, wonach jeder von mehreren Auftraggebern nur die Gebühren schuldet, wenn er allein in seinem Auftrag tätig geworden wäre. In diesem Fall handelt es sich nämlich um eine Ausnahme von der gesamtschuldnerischen Haftung der Auftraggeber, so dass es zu einem Auseinanderfallen der Gebührenforderung in Gesamt- und Einzelschulden der Auftraggeber kommt. Genügt die Berechnung des Anwalts diesem zwingenden Erfordernis nicht, ist die Anwaltsvergütung nicht einforderbar (Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, 6. Aufl. 2013, § 7 Rn 7; Mayer/Kroiß, a.a.O., § 10 Rn 37 m.w.N.; LG Mannheim, a.a.O).
Danach ist jedenfalls von einer gegenwärtig fehlenden Fälligkeit der Forderung auf der Grundlage der Gebührenberechnung v. 24.10.2013 (Rechnungsnummer 2743) auszugehen. … “
3 Anmerkung:
Der Entscheidung des AG ist im Ergebnis zuzustimmen. Sie bedarf jedoch einiger Anmerkungen.
I. Fälligkeit
An zwei Stellen der Urteilsgründe führt das AG aus, die anwaltliche Vergütung sei nicht fällig. Dies ist unrichtig. Die Fälligkeit der Anwaltsvergütung richtet sich nach § 8 Abs. 1 RVG, der die Fälligkeitstatbestände im Einzelnen aufführt. Vorliegend war die Anwaltsvergütung gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG deshalb fällig, weil der Auftrag des Kl. erledigt war und wohl auch die Angelegenheit beendet war.
II. Einforderbarkeit
Die Klage des Rechtsanwalts hatte hier deshalb keinen Erfolg, weil die – fällige – Anwaltsvergütung nicht einforderbar war (§ 10 Abs. 1 S. 1 RVG). Die den Bekl. erteilte Berechnung v. 24.10.2013 hat nämlich nicht den Erfordernissen des § 10 Abs. 2 RVG genügt, was gerade bei einer Auftraggebermehrheit in der Praxis vielfach nicht beachtet wird.
Sind nämlich mehrere Personen Auftraggeber des Rechtsanwalts, müssen diese auch einzeln in der Kostenberechnung aufgeführt werden. Ob dies hier der Fall war, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen. Eine Gesamtrechnung an alle Auftraggeber gemeinsam kann ausnahmsweise dann genügen, wenn die Anwaltsvergütung von den Auftraggebern aus einem gemeinsamen Vermögen beglichen wird. Dies kann etwa bei einer GbR, einer...