SGB VII § 119
Leitsatz
Für die gerichtliche Geltendmachung des einem Unfallversicherungsträger gegen einen Unternehmer im Falle der Schwarzarbeit zustehenden Regressanspruchs nach § 110 Abs. 1a SGB VII ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet.
BGH, Beschl. v. 14.4.2015 – VI ZB 50/14
Sachverhalt
Der Bekl. betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Die Kl. ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie verlangt von dem Bekl. aus § 110 Abs. 1a SGB VII die Erstattung von Aufwendungen, die sie für die Heilbehandlung eines für den Bekl. tätigen jedoch nicht bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung gemeldeten Taxifahrer erbracht hat, nachdem dieser von einem Fahrgast überfallen und schwer verletzt worden war. Der Bekl. wendet sich gegen eine Erstattungspflicht mit der Begründung, der Taxifahrer sei nicht als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer, sondern als selbstständiger Unternehmer für ihn tätig geworden.
Das LG hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht verwiesen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Kl. zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete zugelassene Rechtsbeschwerde der Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[8] "… a) Der Ersatzanspruch des Unfallversicherungsträgers nach § 110 Abs. 1a SGB VII entsteht, wenn Unternehmer Schwarzarbeit nach § 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) v. 23.7.2004 (BGBl I S. 1842) erbringen und dadurch bewirken, dass Beiträge nach dem 6. Kapitel des SGB VII nicht, nicht in richtiger Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet werden. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt. Ob für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 110 Abs. 1a SGB VII der Rechtsweg zu den ordentlichen oder zu den Sozialgerichten gegeben ist, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Literatur und Instanzrechtsprechung beurteilen die Frage unterschiedlich."
[9] aa) Nach einer Ansicht handelt es sich bei § 110 Abs. 1a SGB VII um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sein soll (LG Erfurt r+s 2013, 47, 48; SG Mannheim, Urt. v. 19.11.2008 – S 7 U 533/06, unveröffentlicht; Leube, SGb 2006, 404, 407 f.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 SGB VII Rn 9 [Stand: 6.2013]; Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 110 Rn 26 [Stand: 12.2009]; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 51 Rn 28c; ErfK/Rolfs, 15. Aufl., § 110 SGB VII Rn 4; Wussow/Schneider, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 80 Rn 376; Bultmann, in: Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 4. Aufl., § 3 Rn 15; v. Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl., § 110 SGB VII Rn 9; ferner Giesen, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 6. Aufl., § 110 SGB VII Rn 1, 8, 9; ders., Festschrift Leinemann, 2006, S. 831, 837, 841, der indessen einen Anspruch nur bejaht, wenn der Unternehmer ohne die §§ 104 ff. SGB VII zivilrechtlich haften würde; jeweils ohne explizit auf Abs. 1a einzugehen auch Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 32 Rn 1; Geigel/Freymann, a.a.O., Kap. 36 Rn 15 f.; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 110 Rn 4; Lauterbach, in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 110 SGB VII Rn 1). Diese Auffassung stützt sich insb. auf die systematische Einordnung der Regelung in die Vorschrift des § 110 SGB VII, die in ihrem Abs. 1 anerkanntermaßen bürgerlich-rechtlicher Natur sei. Sie verweist dabei auch auf die Begründung des der Einführung von § 110 Abs. 1a SGB VII zugrundeliegenden Gesetzentwurfs, wonach der negativen Entwicklung durch Schwarzarbeit “systemkonform‘ begegnet und der in § 110 Abs. 1 SGB VII bereits geregelte Regress mit dem neuen Abs. 1a künftig auf Fälle der Schwarzarbeit “ausgedehnt‘ werden solle (BT-Drucks 15/2573, S. 32). Darüber hinaus wird angeführt, nicht der Sanktionscharakter, sondern der bürgerlich-rechtliche Gedanke der Schadloshaltung stehe bei § 110 Abs. 1a SGB VII im Vordergrund.
[10] bb) Nach der Gegenansicht handelt es sich bei § 110 Abs. 1a SGB VII um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der vor den Sozialgerichten zu verfolgen ist (Lehmacher, BG 2005, 408, 409; AnwK-ArbR/dies./Mülheims, 2. Aufl., § 110 SGB VII Rn 41; Waltermann, BG 2006, 79, 80; ders. in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 110 Rn 9; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 51 Rn 71; Lauterbach/Dahm, Unfallversicherung, SGB VII, 4. Aufl., § 110 Rn 22 [Stand: 6.2013]; ders., r+s 2004, 403; Riede...