Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Aufwendungsersatz gem § 110 Abs 1a SGB 7. nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung -Regelmeldung gem § 28a Abs 1 Nr 1 SGB 4. Sofortmeldung gem § 28a Abs 4 SGB 4. Verschulden. unterlassene Meldung. Betrieb des Baugewerbes. Vermutung der Schwarzarbeit
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit eines Bescheides wegen Haftung auf Erstattung der Aufwendungen für einen Arbeitsunfall gem § 110 Abs 1a SGB 7 (Erbringung von Schwarzarbeit wegen Nichterfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht).
2. Eine fehlende Sofortmeldung ist nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks 16/10488 S 15) als Indiz für das Vorliegen von Schwarzarbeit anzusehen. Ob den Unternehmer ein Verschulden trifft, ist jedenfalls bezüglich des Unterlassens der Meldung ohne Belang.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid wegen Haftung auf Erstattung der Aufwendungen für einen Arbeitsunfall ihres Mitarbeiters C. C. i.H.v. 73.580,54 €.
Herr C. war seit dem 1. Oktober 2013 als Dachdecker(helfer) bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt und erlitt am 9. November 2013 einen Arbeitsunfall.
Nachdem die Beklagte von dem Arbeitsunfall Kenntnis erlangte, forderte sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund die Auskunft über die elektronische Sofortmeldung an (§ 28 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV)). Nach Auskunft der Rentenversicherung vom 15. Januar 2014 waren keine Sofortmeldungen bezüglich des Mitarbeiters C. vorhanden.
Den mit Schreiben vom 30. November 2013 von der Beklagten bei der Klägerin angeforderten Lohnnachweis für das Jahr 2013 reichte die Klägerin nach Aktenlage nicht fristgerecht binnen sechs Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres ein (§ 165 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)), weswegen die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 25. April 2014 eine Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII vornahm.
Die Deutsche Rentenversicherung Hessen teilte der Beklagten mit, dass Herr C. bei der Klägerin seit dem 23. April 2012 bis zum 30. September 2013 als geringfügig Beschäftigter und ab dem 1. Oktober 2013 im Rahmen eines voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gemeldet sei.
Die Krankenversicherung von Herrn C. teilte der Beklagten mit, dass ihr eine Entgeltmeldung vom 1. Oktober 2013 bis 21. Dezember 2013 von 6.359 € und 210 Arbeitsstunden vorliege (ab dem 22. Dezember 2013 war das Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Entgeltersatzleistungen unterbrochen).
Nachdem auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 26. Juni 2015 keine Rückmeldung der Klägerin erfolgte, erließ die Beklagte am 24. Juli 2015 einen Bescheid wegen Haftung auf Erstattung der Aufwendungen für den Arbeitsunfall des Mitarbeiters C. am 9. November 2013 i.H.v. 73.580,54 €. Die Klägerin habe den Mitarbeiter beschäftigt, ohne dessen Tätigkeit - wie nach § 28 a SGB IV erforderlich - bis spätestens zu dessen Arbeitsaufnahme an die Einzugsstelle oder die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung gemeldet zu haben. Hierdurch habe die Klägerin Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) erbracht, da sie die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht nicht erfüllt habe. Gemäß § 110 Abs. 1a S. 2 SGB VII werde aufgrund der nicht rechtzeitigen Meldung nach § 28 a SGB IV kraft Gesetzes vermutet, dass Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht, nicht in der richtigen Höhe oder nicht rechtzeitig entrichtet worden seien. Daher sei die Klägerin nach § 110 Abs. 1a SGB VII verpflichtet, der Beklagten die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Der Bescheid wurde am 28. Juli 2015 zugestellt und im weiteren Verlauf wurde eine Zahlungsaufforderung zugestellt.
Am 29. September 2015 legte der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Juli 2015 ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da der 38-jährige Geschäftsführer am 2. Juli 2015 einen Herzinfarkt erlitten habe und zunächst weder er noch andere Mitarbeiter die Möglichkeit gehabt hätten, den Bescheid zur Kenntnis zu nehmen. Außerdem hätte der Bescheid an den Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen. Herr C. sei bei der Rentenversicherung ordnungsgemäß gemeldet worden, daher liege keine Schwarzarbeit nach dem SchwarzArbG vor. Herr C. sei seit dem 23. April 2012 bei der Klägerin beschäftigt, als Nachweis werde eine Lohnabrechnung von November 2013 übersandt. Die Regressansprüche seien unberechtigt.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2016 gewährte die Beklagte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und wies darauf hin, dass aus der übersandten Lohnbescheinigung des Herrn C. nicht hervorgehe, wann dieser bei der Deutschen Rentenversicherung gemeldet worden sei und laut dortiger Auskunft keine Sofortmeldung vorgeleg...