Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Aufwendungsersatz gem § 110 Abs 1a SGB 7. Schwarzarbeit. nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung -Regelmeldung gem § 28a Abs 1 Nr 1 SGB 4. Sofortmeldung gem § 28a Abs 4 SGB 4. Baugewerbe. rechtliche Qualifizierung. Einbindung von Subunternehmen. Verkehrsanschauung. Gesamteindruck. Außenwirkung. Mischbetrieb. Darlegung der einzelnen Tätigkeiten. keine Klärung: Vermutung gem § 101 Abs 3 S 1 SGB 3
Leitsatz (amtlich)
1. Eine rechtzeitig nach § 28a Abs 1 Nr 1 SGB 4 erstattete Regelmeldung macht die Sofortmeldung nach § 28a Abs 4 SGB 4 nicht entbehrlich. Ebenso wenig ersetzt umgekehrt die Sofortmeldung die Regelmeldung. Die Sofortmeldung ist zusätzlich zu erstatten.
2. An der rechtlichen Qualifizierung als ein Unternehmen des Baugewerbes ändert die Einbindung von Subunternehmen in die Auftragsabwicklung nichts (Fortführung BSG vom 27.5.2008 - B 2 U 11/07 R = BSGE 100, 243 = SozR 4-2700 § 150 Nr 3). Entscheidend ist, welche Tätigkeiten dem Unternehmen das Gepräge geben und ob nach der Verkehrsanschauung, also dem nach außen tretenden Gesamteindruck der Firma, Bauleistungen oder baufremde Verrichtungen erbracht werden.
Orientierungssatz
1. Bei der Feststellung, welche Tätigkeit einem Mischbetrieb das "Gepräge" gibt, ist eine Arbeitszeitsaldierung vorzunehmen. Die Bauleistungen überwiegen, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Tätigkeiten mehr als 50 % der Arbeitsstunden beanspruchen. Bei schwankenden arbeitszeitlichen Einsätzen der Arbeitnehmer ist auf den Jahreszeitraum abzustellen. Die Tatsache, dass Bauleistungen am Gesamtvolumen der erbrachten Leistungen nicht überwiegen, ist nachgewiesen, wenn diese mit an Sicherheit grenzender, keine vernünftigen Zweifel zulassender Wahrscheinlichkeit feststeht. Geeignet, den Nachweis zu erbringen, sind mangels diesbezüglicher gesetzlicher Vorgaben alle Mittel des Freibeweises.
2. Wenngleich die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen - sowohl für die Behörde (§§ 20, 21 SGB 10) als auch für das Gericht (§ 103 SGG) - besteht, kommt dem Arbeitgeber, in dessen Sphäre die nachzuweisenden Umstände liegen, ob seines Erkenntnisvorsprunges eine besondere Mitwirkungsobliegenheit zu. Dem Betrieb obliegt es insoweit, die einzelnen Tätigkeiten unter Angabe des arbeitszeitlichen Aufwands genau darzustellen (Tätigkeitsbeschreibung und Arbeitsplatzaufschlüsselung) und Nachweise darüber zu erbringen.
3. Gelingt bei einem Mischbetrieb die abschließende Klärung nicht, zB weil Beweismittel nicht oder nicht ausreichend vorgelegt werden, wird die überwiegende Tätigkeit und damit die Zugehörigkeit zu einem Betrieb des Baugewerbes nach § 101 Abs 3 S 1 SGB 3 vermutet.
Normenkette
SGB IV §§ 7, 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 28e Abs. 3a S. 1, § 99; SGB III § 101 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, 1, § 99; SGB VII § 110 Abs. 1a Sätze 1-2, § 113 S. 1, § 160 Abs. 2, § 165 Abs. 1; SchwarzArbG § 1 Abs. 2 Nr. 1; BaubetrV § 1 Abs. 2; DEÜV §§ 3, 6-7, 13; BGB § 195; SGB X §§ 20-21; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 3, §§ 103, 202 S. 1; GVG § 17a Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 110 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten verlangte Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 73.580,54 Euro, die sie für Verletztengeld und Heilbehandlung des Arbeitnehmers der Klägerin C. C. (Versicherter) erbracht hat, der am 9. November 2013 beim Reparieren eines Daches einer Lagerhalle aus drei Meter Höhe durch das Dach hindurch auf einen gepflasterten Bodenbelag gefallen war.
Nachdem die Beklagte durch den Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. D. vom 18. Dezember 2013 von dem Arbeitsunfall Kenntnis erlangt hatte, stellte sie Ermittlungen zu dem Versicherungsverhältnis des Versicherten bei der Klägerin an. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Hessen teilte der Beklagten dazu unter dem 24. April 2014 mit, dass Herr C. vom 23. April 2012 bis 30. September 2013 durch die Klägerin als geringfügig Beschäftigter, seit dem 1. Oktober 2013 im Rahmen eines voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gemeldet sei. Die DRV Bund teilte der Beklagten auf deren Anfrage vom 19. Dezember 2013 mit Mail vom 15. Januar 2014 mit, dass eine Sofortmeldung des Beschäftigungsverhältnisses nach § 28a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht vorliege. Für den Versicherten seien überhaupt keine Sofortmeldungen vorhanden.
Den von der Beklagten am 30. November 2013 angeforderten Lohnnachweis für das Jahr 2013 legte die Klägerin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres (§ 165 Abs. 1 SGB VII) vor. Nach Anhörung der Klägerin erfolgte mit Beitragsbescheid vom 25. April 2014 eine Schätzung der Umlagen für da...