[9] "… 2. Das angefochtene Urteil unterliegt aber deshalb der Aufhebung, weil das BG die Bestimmung des § 108 SGB VII nicht beachtet hat. Es hat die Tatbestandsvoraussetzungen der in § 106 Abs. 3 Alt. 3 i.V.m. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII geregelten Haftungsprivilegierung für gegeben erachtet, ohne den den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zukommenden Vorrang hinsichtlich der Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Vorfragen zu beachten."
[10] a) Gem. § 108 Abs. 1 SGB VII sind Gerichte außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Ansprüche unter anderem hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Abs. 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.
[11] Die Vorschrift verfolgt das Ziel, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten. Für den Geschädigten untragbare Ergebnisse, die sich ergeben könnten, wenn zwischen den Zivilgerichten und den Unfallversicherungsträgern bzw. Sozialgerichten unterschiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Versicherungsfalls bestehen und dem Geschädigten deshalb weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuerkannt wird, sollen verhindert werden (vgl. Senat v. 20.11.2007 – VI ZR 244/06, VersR 2008, 255 Rn 9; v. 20.9.2005 – VI ZB 78/04, BGHZ 164, 117 = VersR 2005, 1751 Rn 10). Aus diesem Grund räumt § 108 SGB VII den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen originär zuständig sind, hinsichtlich der Beurteilung bestimmter unfallversicherungsrechtlicher Vorfragen den Vorrang vor den Zivilgerichten ein (vgl. Senat v. 22.4.2008 – VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn 12; v. 20.4.2004 – VI ZR 189/03, BGHZ 158, 394, 396 f. = VersR 2004, 1073; BSG v. 27.3.2012 – B 2 U 5/11 R, NZS 2012, 826 Rn 23; Hollo, in: Schlegel/Voelzke, Juris Praxiskomm zum SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 108 Rn 3, 5; Stelljes, in: BeckOK zum SozR – Stand: 31.7.2016 – § 108 SGB VII Rn 2; vgl. zur Vorgängerbestimmung in § 638 RVO: Senat v. 19.10.1993 – VI ZR 158/93, VersR 1993, 1540, 1541; v. 24.6.1980 – VI ZR 106/79, VersR 1980, 822). Diesen Vorrang haben die Zivilgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen; er setzt der eigenen Sachprüfung – auch des Revisionsgerichts – Grenzen (vgl. Senat BGHZ 158, 394, 397 = VersR 2004, 1073; VersR 2008, 820 Rn 9, 12; VersR 2008, 255 Rn 9, 13; v. 12.6.2007 – VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131 Rn 17 ff.; Wussow/Schneider, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 79 Rn 11; vgl. zur Vorgängerbestimmung in § 638 RVO: Senat VersR 1980, 822).
[12] b) Der den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in § 108 SGB VII eingeräumte Vorrang bezieht sich nicht nur auf die Entscheidung, ob ein Unfall – wie in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vorausgesetzt – als Versicherungsfall zu qualifizieren ist, sondern erstreckt sich auch auf die Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte – wie in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gefordert – im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war (vgl. Senat v. 17.6.2008 – VI ZR 257/06, BGHZ 177, 97 Rn 9; VersR 2008, 820 Rn 12; VersR 2007, 1131 Rn 16; v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04, VersR 2006, 416 Rn 21, jeweils m.w.N.; BSGE 17, 153, 155; Stelljes, a.a.O., § 108 Rn 9, 11). Denn die Versicherteneigenschaft ist eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII) und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Eine eigenständige Beurteilung dieser Fragen ist den Zivilgerichten dementsprechend grds. verwehrt. Da sie die vorrangige Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw. der Sozialgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen haben, sind Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Bindungswirkung gem. § 108 Abs. 1 SGB VII eingetreten ist, zwingend erforderlich (vgl. Senat BGHZ 158, 394, 397 = VersR 2004, 1073; VersR 2008, 820 Rn 9; VersR 2008, 255 Rn 9).
[13] c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Voraussetzungen einer sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung in der Person des in Anspruch genommenen Schädigers aus der uneingeschränkten Prüfungskompetenz der Zivilgerichte unterliegenden (vgl. dazu Senat BGHZ 177, 97 Rn 10 ff.; Ricke, in: KassKomm. zum SGB VII § 108 Rn 8 – Stand: Dezember 2016) Gründen zwar nicht erfüllt sind, sich aber die Frage stellt, ob seine Haftung in Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren Schädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt ist (vgl. dazu Senat v. 18.11.2014 – VI ZR 47/13, BGHZ 203, 224 = VersR 2015, 189 Rn 18 ff....