VVG § 128; ARB 2010 § 18
Leitsatz
1. Ein Hinweis auf das Schiedsgutachterverfahren ist ungeachtet der anwaltlichen Vertretung des VN unzulänglich, wenn er eine Frist zu dessen Einleitung vorsieht.
2. Zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits gegen Hersteller und Händler nach Erwerb eines von dem Abgasskandal betroffenen Kfz.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Düsseldorf, Urt. v. 9.3.2017 – 9 O 157/16
Sachverhalt
Der Kl. erwarb unter dem 21.6.2011 einen Pkw W zum Preis von 37.826,14 EUR von der I2 GmbH in Z1 (vgl. Auftragsbestätigung Anlage K2). Das Fahrzeug war mit dem Motoraggregat EA 189 ausgestattet und ist von dem VW-Abgasskandal betroffen. Die Prozessbevollmächtigten des Kl. ersuchten die Bekl. unter dem 27.11.2015 um Zusage von Deckungsschutz: Der Kl. habe einen Pkw aus dem WV-Konzern erworben. Das Fahrzeug sei von dem VW-Skandal betroffen. Der Kl. begehre die Geltendmachung gesetzlicher Gewährleistungsrechte sowie Schadensersatz. Gewährleistungsansprüche bestünden gegenüber dem Händler, der sich zudem eine arglistige Täuschung durch VW zurechnen lassen müsse. Darüber hinaus bestünden Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller.
Mit Schreiben v. 14.12.2015 lehnte die Bekl. mit Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten Deckungsschutz ab. Sie wies auf die Möglichkeit eines Schiedsgutachterverfahrens hin und führte dazu wie folgt aus: "Nur soweit unsere Ablehnung auf fehlenden Erfolgsaussichten beruht, weisen wir unseren Kunden nur der Ordnung halber darauf hin, dass er, soweit er unserer Auffassung nicht zustimmt, das Recht hat, innerhalb eines Monats gem. § 18 Abs. 2 ARB 2000/1 die Einleitung eines Schiedsgutachtenverfahrens verlangen kann".
Der Kl. vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen der Fiktion nach § 128 Abs. 3 VVG erfüllt seien. Zudem sei die Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bestünden hinreichende Erfolgsaussichten.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist zudem begründet. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Deckungsschutz aus dem § 125 VVG i.V.m. dem Rechtsschutzversicherungsvertrag, ausgestaltet durch die zugehörigen ARB. Hiernach ist der VR bei einer Rechtschutzversicherung verpflichtet, die für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des VN erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen."
Der streitgegenständliche Sachverhalt in Form der Geltendmachung von Rückabwicklungs-, Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen anlässlich des Erwerbs eines Fahrzeugs ist grds. i.R.d. zugrundeliegenden Rechtsschutzversicherungsvertrags versichert.
Die Bekl. kann ihre Leistungspflicht nicht deshalb verneinen, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Kl. keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig ist (§ 128 S. 1 VVG i.V.m. § 18 ARB 2010).
Das Rechtsschutzbedürfnis des Kl. gilt nach § 128 S. 3 VVG als anerkannt, weil kein zutreffender Hinweis nach § 128 S. 2 VVG erfolgte. Nach § 128 S. 3 VVG gilt das Rechtsschutzbedürfnis des VN als anerkannt, wenn der Versicherungsvertrag kein Verfahren i.S.d. § 128 VVG vorsieht oder der VR einen Hinweis nach § 128 S. 2 VVG unterlässt. Gleiches muss gelten, wenn zwar ein Hinweis erfolgt, dieser aber fehlerhaft ist (OLG Dresden VersR 2013, 450).
Die Bekl. hat dem Kl. im Schreiben v. 14.12.2015 zwar einen Hinweis i.S.d. § 128 S. 2 VVG erteilt, dieser war jedoch fehlerhaft.
Zum einen sieht der Hinweis der Bekl. entgegen § 128 S. 2 VVG eine Monatsfrist vor. Das VVG sieht an dieser Stelle keine zeitliche Beschränkung für das Überprüfungsverfahren vor (vgl. Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 5. Aufl. 2016, § 128 Rn 6). Nach § 129 VVG kann von § 128 VVG nicht zum Nachteil des VN abgewichen werden. In der von der Bekl. im Ablehnungsschreiben gesetzten Monatsfrist liegt ein nicht unerheblicher Nachteil für die Kl. Ob sich die Bekl. letztlich auf die Einhaltung der Monatsfrist beruft, ist für die Beurteilung des Hinweises unerheblich. Insofern ist zu beachten, dass es für den VN nicht vorherzusehen ist, ob sich der VR auf die Frist berufen wird oder nicht.
Zum anderen bezieht sich der Hinweis ausdrücklich nur auf die Ablehnung aufgrund fehlender Erfolgsaussichten. Ein Hinweis wegen Ablehnung der Versicherungsleistung aufgrund von Mutwilligkeit fehlt, obwohl sich die Bekl. zumindest konkludent auf Mutwilligkeit beruft. So beruft sich die Bekl. auf die Verursachung unnötiger Kosten vor dem Hintergrund der Kostenminderungsobliegenheit des VN nach § 17 Abs. 5c) cc) ARB bzw. § 82 VVG. Die Verursachung unnötiger Kosten stellt im Ergebnis aber einen Fall der Mutwilligkeit dar. Denn Mutwilligkeit wird angenommen, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem angestrebten rechtlichen Erfolg und dem entstehenden Kostenaufwand besteht (vgl. Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 5. Aufl. 2016, § 128 Rn 3; ähnl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 1 ARB 2010 Rn 14). Fragen der Kostenintensität und Zweckmäßigkeit der Rechtsverfolgung stellen Teilaspekte der Mutwilligkeit dar. … Der Kl. konnte diesen Hinweis der Bekl. in dem Ablehnungsschreiben nur so verstehen, dass die Bekl....