Strafverfahrensrecht
Zweites Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts
Am 5.9.2017 ist das Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts v. 27.8.2017 in Kraft getreten (BGBl I. S. 3295). Mit dem Gesetz soll die Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 22.10.2013 über das Recht auf den Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl L 294 v. 6.11.2013, S. 1) umgesetzt werden. Hierzu erfolgen punktuelle Änderungen der StPO, des JGG, des IGR und des EGGVG. U.a. wird ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen geschaffen. Die §§ 31–36 EGGVG werden dahin geändert, dass eine Kontaktsperre den Zugang zum Verteidiger nicht mehr in allen Fällen ausschließt. Im JGG wird vorgeschrieben, dass der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter eines Jugendlichen so bald wie möglich unter Angabe der Gründe von der Freiheitsentziehung bei dem Jugendlichen zu unterrichten ist. Im IGR wird die Verpflichtung verankert, in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls die gesuchte Person auch über ihr Recht zu unterrichten, im ersuchenden Mitgliedstaat einen Rechtsbeistand zu benennen. Ferner entfällt im GVG für Schöffen die verpflichtende Unterbrechung der Schöffentätigkeit nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden.
Quelle: BR-Drucks 419/16
Luftverkehrsrecht
Fluggastrechte bei "Wet Lease" (BGH, Urt. v. 12.9.2017 – X ZR 102/16, X ZR 106/16)
Der BGH hat entschieden, dass der Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung nicht gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund einer "Wet-Lease-Vereinbarung" eingesetzt worden ist, geltend zu machen ist, sondern gegenüber dem Luftfahrtunternehmen, bei dem der Fluggast den Flug gebucht hat. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Düsseldorf nach Nador (Marokko) gebucht. Aufgrund einer Vereinbarung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen wurde der Flug unter dem IATA-Code der Beklagten mit einem Flugzeug und der Besatzung eines spanischen Luftfahrtunternehmens durchgeführt (sog. Wet-Lease-Vereinbarung). Der Flug traf erst mit mehr als sieben Stunden Verspätung in Nador ein. Anders als die Vorinstanzen hat der BGH die verlangten Ausgleichszahlungen zugesprochen. Nach Erwägungsgrund 7 der Fluggastrechteverordnung seien die Verpflichtungen nach der Fluggastrechteverordnung von dem Luftfahrtunternehmen zu erfüllen, das den Flug durchführe, unabhängig davon, ob dies mit einem eigenen Flugzeug oder mit einem (mit oder ohne Besatzung) gemieteten Luftfahrzeug geschehe. Dem stehe nicht entgegen, dass Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 v. 14.12.2005 "Wet-Lease" als Fall ansehe, in dem das anmietende Luftfahrtunternehmen den Flug nicht selbst durchführe. Diese Vorschrift diene der Information der Fluggäste über mögliche Sicherheitsrisiken und damit anderen Belangen als der Fluggastrechteverordnung.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 141/2017 v. 12.9.2017
Internetrecht
Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
Am 1.10.2017 ist das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) v. 1.9.2017 in Kraft getreten (BGBl I S. 3352). Das Gesetz verpflichtet die Betreiber sozialer Netzwerke u.a. dazu, Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte umfassender zu bearbeiten und entsprechende Inhalte schneller und konsequenter zu löschen. Dazu sollen sie ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement für den Umgang mit Beschwerden über strafbare Inhalte aufbauen und unterhalten. Wenn die sozialen Netzwerke Beschwerden nicht genügend beachten, können sich Bürgerinnen und Bürger in einem zweiten Schritt an das BfJ wenden. Ergeben sich Anhaltspunkte für Mängel im Beschwerdemanagement, wird das BfJ prüfen, ob gegen den Anbieter des betroffenen Netzwerks ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist.
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht München I
zfs 10/2017, S. 542