Die vom OLG Frankfurt behandelte Fallkonstellation gibt Anlass, die Voraussetzungen, unter denen sich der Dritte auf die Gebührenanrechnung berufen kann, näher zu erörtern. Gemäß § 15a Abs. 2 RVG kann sich der Dritte – wie hier der Bekl. – auf die in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur berufen, wenn einer oder mehrere der in § 15a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmefälle vorliegen.
I. Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt
Eine solche Erfüllung kann eine Zahlung sein, es genügt aber auch jede andere Art der Erfüllung, wie eine Aufrechnung (s. OLG Köln RVGreport 2012, 33 [Hansens] = AGS 2011, 619). Ebenso wenig spielt es eine Rolle, welche der beiden Gebühren der Dritte, hier also der Bekl., erfüllt hat. Zwar dürfte meist der Fall gegeben sein, in dem der Dritte die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gezahlt hat, weil er dem Kl. einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zugestanden hat.
Der Dritte kann jedoch auch den Anspruch auf Erfüllung der Verfahrensgebühr zum Anlass nehmen, sich auf die Gebührenanrechnung zu berufen. Dies wäre hier im Fall des OLG Frankfurt deshalb denkbar, weil zwischen dem Erlass des KFB vom 2.3.2016, in dem eine 0,65-Verfahrensgebühr tituliert worden ist, und des weiteren KFB vom 22.2.2018 immerhin fast zwei Jahre liegen. Hat somit der Bekl. die im KFB vom 2.3.2016 titulierte 0,65-Verfahrensgebühr bereits gezahlt, so stellt sich die Frage, ob er sich auch in diesem Fall auf die Erfüllung berufen kann (s. hierzu Hansens RVGreport 2009, 201, 203).
Dies wird man im Fall des OLG Frankfurt verneinen müssen. Denn der Kl. hatte ja in seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag vom 19.5.2017 die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bereits vollzogen, indem er nur noch den restlichen 0,65-Anteil geltend gemacht hatte. Folglich wäre der Bekl. hier nicht berechtigt, sich mit dem Hinweis auf die Zahlung der im KFB vom 2.3.2016 titulierten 0,65-Verfahrensgebühr auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu berufen. Ansonsten wäre nämlich die teilweise Anrechnung zu seinen Gunsten doppelt berücksichtigt, nämlich einmal durch den KFA vom 26.1.2016, in dem nur die 0,65-Verfahrensgebühr geltend gemacht wurde, und zum zweiten durch ein erfolgreiches Berufen auf die Anrechnung beim Kostenfestsetzungsantrag vom 19.5.2017.
II. Vollstreckungstitel wegen einer der beiden Gebühren
Der Dritte kann sich auf die Gebührenanrechnung dann mit Erfolg berufen, wenn wegen einer der beiden von der Gebührenanrechnung erfassten Gebühren ein Vollstreckungstitel gegen ihn besteht. Welcher Art dieser Vollstreckungstitel ist, ist grds. unerheblich. Ebenso wenig muss der Titel rechtskräftig sein (s. Hansens RVGreport 2009, 201, 204; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 8. Aufl. 2017, § 15a RVG Rn 92). Diese Fallgestaltung dürfte meist dann auftreten, wenn der Kl. in dem Rechtsstreit als Nebenforderung seinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch auf Erstattung der (z.B.) 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG erfolgreich eingeklagt hat und dann im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren die 1,3-Verfahrensgebühr geltend macht.
Der Fall des OLG Frankfurt zeigt jedoch, dass die Titulierung auch die Verfahrensgebühr betreffen kann. Immerhin ist hier die 0,65-Verfahrensgebühr gegen den Bekl. im KFB vom 2.3.2016 tituliert worden. Dieses Problem hat das OLG Frankfurt hier nicht vertieft. Meines Erachtens kann sich der Bekl. auch auf diesen Ausnahmetatbestand nicht mit Erfolg berufen. Grund hierfür ist wiederum, dass der Kl. in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag vom 26.1.2016 die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr bereits vollzogen hat und nur noch den nach Anrechnung verbleibenden Restbetrag der Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 0,65 zur Festsetzung angemeldet hat. Auch nur dieser Restbetrag ist tituliert worden, nicht etwa die unverminderte 1,3-Verfahrensgebühr.
III. Beide Gebühren in demselben Verfahren geltend gemacht
1. Dasselbe Verfahren
Der Gesetzeswortlaut lässt offen, was unter "demselben Verfahren" zu verstehen ist. N. Schneider, in: AnwKomm-RVG, § 15a Rn 117 ff. fordert hierfür ein zeitgleiches Geltendmachen der der Anrechnung unterliegenden beiden oder mehreren Gebühren. Schneider meint, es sei erforderlich, dass entweder beide Gebühren im Erkenntnisverfahren oder beide Gebühren im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Eine solche einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut jedoch nicht. Meines Erachtens genügt es, wenn beide Gebühren in demselben Rechtsstreit geltend gemacht werden. Folgt man der Auffassung von Schneider, so könnte sich der Dritte auf die Anrechnung nicht berufen, wenn die volle Geschäftsgebühr eingeklagt und sodann die unverminderte Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird. Es würden dann jeweils die Titel ohne Berücksichtigung der Gebührenanrechnung ergehen. Der Dritte müsste dann gegen einen der Ti...