"… 2. Die Kl. hat aus dem Versicherungsvertrag (Ziff. 2.5 AUB 2000) einen Anspruch auf Krankenhaustagegeld i.H.v. 6.300 EUR für den Zeitraum 1.3.2013 bis 20.11.2013."
a) Bei dem streitgegenständlichen Vorfall vom 1.3.2013 handelt es sich um einen Unfall i.S.v. Ziff. 1.3 AUB 2000 bzw. § 178 Abs. 2 VVG. Danach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.
aa) Für die Frage, ob die Einwirkung “von außen' erfolgt, kommt es nur auf das Ereignis an, das die erste Gesundheitsschädigung unmittelbar herbeigeführt hat, nicht auf die jeweiligen Ursachen für dieses Ereignis, bei denen es sich auch um Eigenbewegungen bzw. körperinterne Vorgänge handeln kann (BGH zfs 2011, 579). Ist die Verletzung – wie hier – unmittelbare Folge des Aufpralls auf den Boden, liegt daher ein von außen wirkendes Ereignis vor. (…)
bb) Die Gesundheitsschädigung war auch unfreiwillig. Wenngleich dieses Merkmal Bestandteil des in den Bedingungen verwendeten Unfallbegriffs ist und damit eine Voraussetzung der Leistungspflicht des VR beschreibt, trifft die Beweislast für die Unfreiwilligkeit nicht den VN. Vielmehr wird die Unfreiwilligkeit nach § 178 Abs. 2 S. 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils vermutet (vgl. BGH zfs 1998, 390). Den Beweis des Gegenteils hat die Bekl. nicht erbracht.
(1) Ein Anscheinsbeweis für eine vorsätzliche Selbsttötung scheidet aus, da es um eine individuelle Willensentscheidung geht, die einer typisierenden Betrachtung nicht zugänglich ist (BGHZ 100, 214).
(2) Zwar kommt grundsätzlich ein Indizienbeweis in Betracht; das Gericht kann in freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) aufgrund von Erfahrungssätzen und Hilfstatsachen zu der Überzeugung gelangen, die Vermutung sei widerlegt (BGHZ 100, 214). Dies erfordert ein für das praktische Leben brauchbares Maß an Gewissheit, das restlichen Zweifeln Schweigen gebietet. Hier lässt sich aber weder aus den unstreitigen noch aus den von der Bekl. unter Beweis gestellten Umständen schließen, dass sich die Kl. willentlich aus dem Fenster gestürzt hat.
Die Erklärung der Kl. in der Sitzung vom 5.10.2017, sie sei auf den Sessel gestiegen, um an den Fenstergriff zu gelangen, ist plausibel und nicht widerlegt. Dabei kommt es weder auf die exakte Körpergröße der Kl. an noch auf die Behauptung der Bekl., der Kl. sei es auch ohne Besteigen des Sessels möglich gewesen, das Fenster zu öffnen. Der Sessel befand sich nach dem Vortrag der Kl. und den von der Polizei gefertigten Aufnahmen zum Zeitpunkt des Vorfalls unmittelbar an der Wand unter dem Fenster und dem Fenstergriff. Daher ist es nachvollziehbar, dass die Kl., die – was auch in der Sitzung vom 5.10.2017 erkennbar war – nicht groß gewachsen ist, diesen als Aufstiegshilfe genutzt hat, um leichter das Fenster zu öffnen.
Dass die Kl. im Rahmen der informatorischen Anhörung angegeben hat, sie sei zum Zeitpunkt des Sturzes bei der Ärztin Dr. H. wegen einer Depression in Behandlung gewesen und habe die ihr verschriebenen Medikamente nicht konsequent genommen, ist kein hinreichendes Indiz für eine Suizidabsicht in der konkreten Situation.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Zeugenaussagen in der Ermittlungsakte. (…)
Als für eine Freiwilligkeit sprechende – unstreitige oder unter Beweis gestellte – Indizien verbleiben damit die Grunderkrankung der Kl. (bipolare Störung), die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands vor dem streitgegenständlichen Geschehen, ihre eigene Erklärung, sie habe sich zum Zeitpunkt des Vorfalls wegen einer Depression in Behandlung befunden, habe aber ihre Medikamente nicht regelmäßig genommen, sowie die unkonkrete Aussage des verstorbenen Ehemanns der Kl.. Diese Umstände lassen auch in einer Gesamtschau einen ausreichend sicheren Schluss auf einen Suizidversuch bzw. die Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung nicht zu.
b) Aus den unstreitigen und unter Beweis gestellten Umständen kann auch nicht geschlossen werden, dass der Sturz entweder in suizidaler Absicht erfolgt oder auf eine Bewusstseinsstörung i.S.v. Ziff. 5.1.1 AUB 2000 zurückzuführen ist. Vielmehr ist mit der von der Kl. selbst gegebenen Erklärung eine Ursache für einen unfreiwilligen Sturz denkbar, die den Ausschlusstatbestand nicht erfüllt.
aa) Eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Sinne des Ausschlusstatbestands setzt nicht den Eintritt völliger Bewusstlosigkeit voraus, sondern es genügen solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten, die die gebotene und erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulassen, die also den Versicherten außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen. Eine solche Störung liegt vor, wenn die dem Versicherten bei normaler Verfassung innewohnende Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie geistig zu verarbeiten und auf sie angemessen zu reagieren, ernstlich beeinträchtigt ist (BGH NJW...