"… II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg."
Die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid ist nicht zu beanstanden; die vom Betr. erhobene Verfahrensrüge der Verletzung von § 74 Abs. 2 OWiG greift – entgegen der Auffassung der GenStA – nicht durch.
Die Verfahrensrüge entspricht zwar den Darlegungsanforderungen der § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG ist jedoch nicht begründet. Das AG hat den Einspruch des Betr. zu Recht verworfen. Denn Anknüpfungspunkt der Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Prüfung ist die Verletzung der Anwesenheitspflicht des Betr.
Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betr. – anders als nach § 73 Abs. 1 OWiG a.F. – zum Erscheinen und zur Anwesenheit in der gesamten Hauptverhandlung verpflichtet. Dieser Pflicht genügte der Betr. nicht – wie im vorliegenden Fall – durch seine anfängliche Anwesenheit und anschließende eigenmächtige Entfernung aus der Hauptverhandlung (Senge in KK-OWiG, 5. Aufl., § 74 Rn 30). In einem solchen Fall steht – zumal die Richterin den Betr. auf seine Anwesenheitspflicht mündlich hingewiesen hat – das vorzeitige Entfernen des Betr. aus der Hauptverhandlung einem Nichterscheinen zur Hauptverhandlung gleich (KG NStZ-RR 2015, 55 m.w.N.; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 74 Rn 30; Senge a.a.O.).
Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde ist der Betr. auch nicht dadurch entschuldigt, weil sein Verteidiger zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist. Eine Entschuldigung ist nämlich nur dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betr. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Betr. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann. Entscheidend ist dabei nicht, ob sich der Betr. genügend entschuldigt hat, sondern ob er (objektiv) genügend entschuldigt ist (KG, Beschl. v. 2.6.2015 – 3 Ws (B) 124/15-122 Ss 37/15 – BeckRS 2015, 16923; NZV 2002, 421).
Zutreffend führt die Rechtsbeschwerde zwar aus, dass der Betr. gem. § 46 OWiG, § 137 Abs. 1 S. 1 StPO auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht hat, einen Verteidiger seines Vertrauens hinzuzuziehen. Aus diesem Recht folgt aber nicht – wie bereits die Regelung des § 46 OWiG, § 228 Abs. 2 StPO zeigt –, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden kann (BVerfG NJW 1984, 862; Seitz/Bauer in Göhler a.a.O.). Zwar kann es – auf Antrag des Betr. oder von Amts wegen – die Fürsorgepflicht und das Gebot des fairen Verfahrens unter Abwägung der Interessen des Betr. und der rechtsstaatlichen Ziele der Durchführbarkeit des Verfahrens und der Beschleunigung gebieten, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, auszusetzen oder den Termin zu verlegen (OLG Zweibrücken NZV 1996, 162; BayObLG NZV 1989, 124; Göhler a.a.O.). Gleichwohl führt dieser Anspruch des Betr. auf pflichtgemäße Ausübung des richterlichen Ermessens (BVerfG a.a.O.) nicht zum Erlöschen seiner – passiven – Pflicht zur Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung und erst recht nicht dazu, dass ihm ein Verbleiben unzumutbar ist. Denn nicht der Betr., sondern der Vorsitzende entscheidet im Rahmen seiner Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO) – wenn auch ggf. mit Rechtsmitteln angreifbar – über den Beginn und die Beendigung der Hauptverhandlung. Es begegnet daher – entgegen den Ausführungen der GenStA – auch keinen Bedenken, verwirft das Gericht den Einspruch in diesem Fall lediglich formularmäßig. Dieses hatte wegen des eigenmächtigen Entfernens des Betr. überhaupt keine Veranlassung, eine dem dargestellten Maßstab genügende Abwägung vorzunehmen.
Der Betr. kann sich auch nicht darauf berufen, dass er in rechtsirriger und nicht vorwerfbarer Weise von einem Recht zum Entfernen ausging. Denn wie sich aus den – von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen – Urteilsgründen ergibt, ist der Betr. auf seine Anwesenheitspflicht persönlich durch die Richterin hingewiesen worden. Entfernt er sich dennoch, muss er auch die rechtlichen Folgen in Kauf nehmen.
Schließlich war das Gericht – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – nicht gehalten, Nachforschungen zum Verbleib des Verteidigers anzustellen. Hierdurch hätte zwar ggf. die Entschuldigung des Verteidigers festgestellt werden können, jedoch keine für den zur Anwesenheit verpflichteten Betr. (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.1999 – 2 Ss (OWi) 213/99 – (OWi) 65/99 III).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.“
zfs 10/2019, S. 592 - 593