Die Entscheidung setzt scheinbar die Rechtsprechung des OLG Koblenz zur Frage der fehlenden Eignung des Bußgeldbescheids zur Verjährungsunterbrechung fort, unterliegt dabei jedoch einem typischen Denkfehler, der aber bei der dogmatischen Abgrenzung zwischen Wirksamkeit des Bußgeldbescheids und Eignung des Bußgeldbescheids zur Verjährungsunterbrechung allgegenwärtig ist. Denn die "Verwechslungsgefahr" für den Betroffenen ist eine Frage der Wirksamkeit und geht zurück auf die Rechtsprechung des BGH (BGHSt 10, 137). Die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids hat das Gericht nach § 66 OWiG zu prüfen und – in der Tat – an dieser dürfte hier kein Zweifel bestehen, da die Runduminformationen um den Kernvorwurf das Gericht in die Lage versetzen, den Anspruch, ggf. durch ergänzende Heranziehung der Akte, vollumfänglich zu prüfen. Hingegen ist dem AG hier voll zuzustimmen, dass die Ortsangabe "Kaiserslautern Berliner St." bei der selbst vom LG erkannten "nicht unerheblichen" Länge von 1km unzureichend ist, um dem Betroffenen eindeutig vor Augen zu führen, wo er den Verstoß begangen haben soll. Die Eignung zur Verjährungsunterbrechung ist also zu verneinen.

Dass man bei 50 km/h die gesamte Straße in ca. 1–2 Minuten durchfahren hat, ist rechnerisch zutreffend (72 Sekunden bei unterstellter gleichbleibender Geschwindigkeit). Warum man aus diesem Umstand jedoch Rückschlüsse auf die Bestimmbarkeit des Verstoßes ziehen können soll, erschließt sich mir nicht. Denn das LG hat weder die genaue Straßenführung beschrieben noch den Umstand nachgewiesen, dass der Betroffene tatsächlich die gesamte Straße befahren hat. Nur dass die Messstelle innerhalb dieser Straße belegen war, lässt sich mit Sicherheit feststellen. Zur Fahrereigenschaft gibt es darüber hinaus auch nur die Behauptung des LG, nicht den Nachweis. Insofern sind beide Umstände in der konkreten Darstellung ungeeignet, die Bestimmbarkeit des Tatvorwurfs näher einzugrenzen. Hätte das LG aber z.B. auf die Umgebung abgestellt, die auf dem Messfoto erkennbar ist (so z.B. der Hinweis bei OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2018 – 2 RBs 257/18, BeckRS 2018, 41430), hätte es einen für den Betroffenen im Bußgeldbescheid konkret enthaltenen weiteren Hinweis aufgegriffen, der die Bestimmbarkeit für ihn ermöglicht. Denn genau das ist der Ansatzpunkt: das OLG Koblenz erlegt dem Betroffenen eine Nachforschungspflicht auf, ggf. mit Hilfe öffentlich zugänglicher Quellen, aber eben nur anhand der ihm zur Verfügung stehenden Informationen. Sind diese nicht im Bescheid enthalten, genügt der Bußgeldbescheid nicht, um die Verjährung zu unterbrechen (vgl. zur Problematik Krenberger NZV 2021, NZV 2020, 393). Dass das AG diesen Makel auch auf den Anhörungsbogen ausgeweitet hat, ist dogmatisch folgerichtig gedacht, aber bislang noch nicht entschieden, da es ja bspw. auf den Erhalt des Anhörungsbogens nicht ankommt.

Zum Abschluss ist ergänzend darauf zu verweisen, dass die Verjährungsunterbrechung von Amts wegen zu prüfen ist. Dass das LG hier ernstlich auf die Relevanz eines möglichen Vortrags des Betroffenen abstellt, zeigt ergänzend zu den vorherigen Überlegungen, dass der Charakter des Verfahrenshindernisses – auch wenn es um "Massenverfahren" im Bußgeldrecht geht – hier nicht ganz zutreffend und dann auch zulasten des Betroffenen in die Entscheidungsfindung eingestellt worden ist.

RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

zfs 10/2022, S. 593 - 594

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