GG Art. 3 Abs. 1 Art. 20 Abs. 1 Abs. 3, Art. 20a; StVG § 6a Abs. 5a; StVO § 45 Abs. 1b Nr. 2a § 46 Abs. 1 Nr. 11; GemO BW § 35 § 36 § 39; DelegationsVO zur Erhebung von Parkgebühren (ParkGebVO BW) v. 14.7.2021 § 1 § 4 Abs. 1; Freiburger Bewohnergebührensatzung v. 14.12.2021 §§ 1 ff.; VwGO § 47 Abs. 6
Leitsatz
1. Abgesehen von dem Fall, dass es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern (§ 35 Abs. 1 S. 2 GemO), ist den Gemeinden nach § 39 Abs. 5 S. 2 Halbs. 1 GemO ein Wahlrecht eingeräumt, ob die Sitzung eines beschließenden Ausschusses, soweit dieser nur vorberatend tätig ist, öffentlich oder nichtöffentlich sein soll.
2. Der Gebührengesetzgeber darf bei der Bemessung der Bewohnerparkgebühr auch Lenkungsziele verfolgen. Zulässige Lenkungszwecke sind die Erreichung des staatlichen Klimaschutzziels des Art. 20a GG und der Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klimawandels durch eine Reduktion des Kfz-Verkehrs und die Verringerung des hierdurch bedingten CO2-Ausstoßes.
3. Die Staffelung der Bewohnerparkgebühr nach der Größe des Fahrzeugs und damit nach der in Anspruch genommenen Parkfläche ist nicht zu beanstanden.
4. Für die Beurteilung der Frage, ob das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art 20 Abs. 3 GG) verletzt ist, kommt es nicht darauf an, ob und mit welcher Steigerungsrate eine Gebühr im Vergleich zur Vorgängerregelung erhöht wurde. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die nach dem geltenden Recht festgesetzte Gebühr in einem Missverhältnis zu dem mit ihr abgegoltenen Vorteil steht.
5. Die Regelung einer Ermäßigung oder Befreiung von der Bewohnerparkgebühr aus sozialen Gründen ist grundsätzlich von dem Gestaltungsspielraum des Gebührengesetzgebers umfasst. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage bedarf es hierfür nicht.
6. Die Regelung einer Ermäßigung oder Befreiung von der Bewohnerparkgebühr anhand sozialer Kriterien berührt nicht den Grundsatz der Privilegienfeindlichkeit des Straßenverkehrsrechts. Denn hiermit wird nicht der Umfang der Berechtigung zur Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums geregelt, sondern – bei gleicher Nutzungsberechtigung – allein die Gebührenpflicht.
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.7.2022 – 2 S 808/22
1 Hinweis:
Damit hat der VGH BW einen Normenkontrollantrag abgewiesen und entschieden, dass die Satzung der Stadt Freiburg im Breisgau über die Erhebung von Bewohnerparkgebühren vom 14.12.2021 rechtmäßig ist. Die Bewohnerparkgebührensatzung FR genügt danach den Maßgaben der Ermächtigungsgrundlage des § 1 ParkgebVO i.V.m. § 6a Abs. 5a StVG und ist auch ansonsten mit höherrangigem Recht vereinbar. Der VGH hat die Revision zugelassen. Nach der neuen Satzung sind deutlich höhere Gebühren zu zahlen, statt 30 bis zu 480 EUR jährlich.
Mit der Bewohnerparkgebühr werden mit der Vorteilsausgleichung (Vorteil, der den Bewohnern geboten werde, den öffentlichen Parkraum unter Befreiung von der Pflicht zur Zahlung allgemeiner Parkgebühren und der Einhaltung von Parkzeitbegrenzungen zu nutzen) und der Reduktion innerstädtischen Kfz-Verkehrs legitime Zwecke verfolgt. Dabei verfolge die Gebührenregelung mit Blick auf das staatliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG und zum Schutz von Grundrechten vor den Gefahren des Klimawandels in zulässiger Weise den Lenkungszweck, den Kfz-Verkehr im innerstädtischen Bereich zu reduzieren und dadurch eine Reduktion von Treibhausgasen zu bewirken.
Die Gebührenbemessung nach § 4 Abs. 1 bis 3 der Bewohnerparkgebührensatzung verstoße nicht gegen das Äquivalenzprinzip. Die Gebührenstaffelung und die Regelung zu Ermäßigungen und Befreiungen für bestimmte Personenkreise aus sozialen Gründen seien nicht zu beanstanden und von dem Gestaltungsspielraum des Gebührengesetzgebers umfasst.
Siehe in dieser Sache auch den Eilbeschluss des VGH BW, Beschl. v. 24.6.22 – 2 S 809/22, NVwZ 2022, 1309 mit Anm. Frick S. 1319 f.
zfs 10/2022, S. 594 - 595