[…] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht und begründet worden, sonach zulässig.
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 6.10.2022 Folgendes ausgeführt:
“Die Zustellung der Urteilsformel an den Verteidiger war wirksam. Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 S. 1 OWiG). Zwar befindet sich keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Jedoch ist seine Bevollmächtigung nachgewiesen. Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.
Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 S. 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und nicht nur – wie zuvor – die Original-Vollmacht gelten zu lassen (BT Drs. 19/27654, S. 40). Dabei ist davon auszugehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Kopie bzw. das elektronische Dokument wie vormals die schriftliche Vollmacht tatsächlich zu den Akten gelangt.
Dies ist hier nicht geschehen. Der Verteidiger hat keine Vollmacht zu den Akten gereicht, sondern ausweislich des Protokolls im Hauptverhandlungstermin eine elektronische Vollmacht vorgelegt, in die das Gericht Einsicht genommen hat und die offenbar zurückgereicht worden ist.
Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, allerdings muss der Nachweis an formale Kriterien geknüpft sein, da sich daraus die entsprechenden Rechtsfolgen für den Betroffenen ergeben, über die aus Rechtssicherheitsgründen Klarheit bestehen muss (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.9.2009 – 2 Ss (OWi) 129B/09, BeckRS 2009, 26373).
Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist jedoch nicht die einzig zulässige. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist. Denn anders als bei der Wirksamkeit der Vertretung durch den Verteidiger im Verfahren allgemein (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rn 9), genügt eine ausschließlich mündlich erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht. Schon nach bisheriger Rechtslage reichte es jedoch aus, wenn die Vollmacht durch den Betroffenen in der Hauptverhandlung mündlich erteilt wurde und dies im Sitzungsprotokoll beurkundet worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 145a Rn 9) oder wenn der Betroffene seinen Verteidiger vor der Verwaltungsbehörde bevollmächtigt hat und dies in den Akten vermerkt worden ist (Göhler, OWiG, § 51 Rn 44a). Auch anhand einer Gesamtschau der im Einzelfall vorliegenden Tatsachen, insbesondere durch wiederholtes Tätigwerden als Verteidiger in der fraglichen Rechtssache kann auf seine unbeschränkte Bevollmächtigung als Verteidiger geschlossen werden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.6.2019 – (1B) 53 Ss-OWi 206/19 (124/19).
Zwar war der Betroffene in der hiesigen Hauptverhandlung nicht anwesend, da er vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war. Die Vorlage des elektronischen Dokuments der vom Betroffenen erteilten Vollmacht ist vorliegend – als Erklärung des Betroffenen – in der Hauptverhandlung protokolliert worden. Dies reicht als Nachweis aus, zumal der Verteidiger im Verfahren bereits mehrfach für den Betroffenen Erklärungen abgegeben hat.
Die Zustellung eines schriftlichen Urteils kann zudem auch dann wirksam erfolgen, wenn dem Verteidiger vor Ausführung der Zustellung bereits eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen erteilt worden war (OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.05.206, (1B) 53 Ss-OWi 200/16 (110/16)). Eine entsprechende bereits bei Urteilszustellung erteilte rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des Verteidigers ist hier – durch inzwischen erfolgte Nachreichung der Vollmacht zu den Akten – belegt.
Das Urteil ist auf die Sachrüge aufzuheben, denn es leidet an einem durchgreifenden rechtlichen Mangel. Das Amtsgericht hat keine schriftlichen Urteilsgründe abgesetzt, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen für ein Absehen von einer schriftlichen Begründung gemäß § 77b Abs. 1 OWiG mit fristgerechter Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Verteidiger des Betroffenen nicht vorlagen. Damit kann das Urteil nicht auf sachlich-rechtliche Fehler überprüft werden und unterliegt deshalb der Aufhebung (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121).“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an, sie entsprechen der Sach- und Rechtslage.