Aufbauend auf diesen Überlegungen stellt sich in der Praxis auch die Frage, ob der Geschädigte noch schützenswert ist, wenn er gar keine eigene Plausibilitätskontrolle zur Reparatur seines Kfz durchführt. Auch mit diesen Erwägungen hat sich der BGH unter dem Gesichtspunkt eines "Schadensservice" aus einer Hand zu beschäftigen gehabt.
1. Zum Sachverhalt
Das Fahrzeug der Klägerin wurde von einen bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug beschädigt und die Klägerin machte weitergehende Schadensersatzansprüche nach der Reparatur ihres Fahrzeuges im Rahmen einer konkreten Abrechnung mit den angefallenen Nettoreparaturkosten geltend. Streitpunkt war dabei der Aufwand von behaupteten 45 Minuten für eine sogenannte "Covid-19-Reinigung". Dabei bestand die Besonderheit, dass die Reparatur zwar auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens erfolgte, aber nicht die Klägerin selbst, sondern das Autohaus in ihrem Auftrag einen Sachverständigen beauftragt hat. Dieser nahm eine entsprechende Kalkulation vor, die auch die Erstattung von Desinfektionskosten beinhaltet hat. Die beklagte Versicherung hat die angefallene Rechnung bis auf die Desinfektionskosten vollständig ausgeglichen und bestritten, dass diese Maßnahmen tatsächlich durchgeführt worden wären. Wenn ja, wären sie allerdings nicht erforderlich gewesen. Das Amtsgericht und Landgericht hatten die Beklagtenseite antragsgemäß zur Zahlung verurteilt, aber die Revision zugelassen.
2. Zur Entscheidung
Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Denn die o.g. Grundsätze zum Werkstattrisiko hatte das Landgericht nicht beachtet und alleine deswegen war die Entscheidung aufzuheben, zumal der Tatrichter bisher keine Feststellungen zu einer bezahlten Rechnung getroffen hatte. Dabei betont der BGH auch noch einmal, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht darauf abgestellt werden kann, ob üblicherweise derartige Desinfektionskosten im Rahmen einer fiktiven Abrechnung zu erstatten sind. Die Klägerseite hatte sich vorliegend für eine konkrete Abrechnung unter Bezugnahme auf eine vorgelegte Rechnung entschieden und eine konkrete und fiktive Abrechnung dürfen nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht vermengt werden.
Zugleich betont der BGH allerdings auch, dass die Grundsätze des Werkstattrisikos auch dann eingreifen, wenn nicht der Geschädigte, wie hier die Klägerin selbst, sondern eine von ihm beauftragte Werkstatt in seinem Namen den Sachverständigen eingeschaltet hat. Jedenfalls durfte der Geschädigte in dem vorliegenden Einzelfall davon ausgehen, dass die Reparatur auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens in objektiv angemessener Weise durchgeführt wird. Selbst wenn die Covid-19-Schutzmaßnahmen tatsächlich umgesetzt worden wären, würde dies unter Beachtung der Grundsätze des Werkstattrisikos nicht zu Lasten der Klägerin gehen, solange diese keine Anhaltspunkte dafür gehabt hat, dass dieser Bestandteil der Reparaturmaßnahmen nicht tatsächlich durchgeführt worden wäre.
Auch wenn die Auswahl des Sachverständigen nicht durch den Geschädigten selbst, sondern nach der Vermittlung einer Werkstatt oder eines Rechtsanwaltes im Rahmen eines Schadensservice einer Hand erfolgt, steht dies nach Ansicht des BGH einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung unter den Grundsätzen des Werkstattrisikos nicht entgegen. Alleine diese Vorgehensweise würde aus Sicht des Geschädigten, auf die es maßgeblich ankommen würde, keine durchgreifenden Zweifel daran wecken, dass die vom Sachverständigen vorgenommene Kalkulation sachlich zu beanstanden wäre.
3. Bewertung für die Praxis
Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht in einem "Schadensservice aus einer Hand", bei dem in der Tat der Geschädigte, wie hier die Klägerin, augenscheinlich keinerlei weitere Kontrolle durchgeführt hat. In der älteren Rechtsprechung des BGH war zumindest noch eine in Grundzügen vorzunehmende Kontrolle auf Seiten des Geschädigten gefordert worden, die beispielsweise bei zu hohen Sachverständigenkosten dazu geführt hat, dass die Abrechnung von Foto- oder Schreibkosten, die deutlich oberhalb der Erfahrungswerte auch eines Laien liegen, vom Geschädigten erkannt und hätten beanstandet werden müssen.
Eine solche Kontrollmöglichkeit hat der Geschädigte, wenn er den "Schadenservice aus einer Hand" wählt, allerdings gar nicht mehr. Dessen ungeachtet stellt der BGH alleine auch unter diesem Gesichtspunkt weiter auf den Schutz des Geschädigten ab: Solange dieser keine begründeten Zweifel haben muss, dass die Werkstatt und der Gutachter sehenden Auges Hand in Hand zusammenarbeiten und hier nicht erforderliche Maßnahmen kalkuliert bzw. gar nicht durchgeführt werden, kann ihm dies nicht entgegengehalten werden. Auch in diesem Fall ist die Schädigerseite grundsätzlich auf eine Abtretung zu verweisen.
Allerdings mag es im Einzelfall durchaus Umstände geben, die auch für den Geschädigten erkennbar machen, dass z.B. bestimmte Reparaturen nur berechnet, aber tatsächlich nicht durchgeführt worden sind – ein Freibrie...