[2] 1. Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit die Angeklagte tateinheitlich wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB schuldig gesprochen worden ist.
[3] a) Nach den Feststellungen fuhr die Angeklagte am späten Freitagnachmittag des 13.5.2022 mit ihrem Pkw über die Autobahnzufahrt "B." auf die BAB, wendete auf der zweispurigen Richtungsfahrbahn und befuhr nun die Überholspur in entgegengesetzter Richtung. Dabei handelte sie in der Absicht, einen Unfall zu verursachen, um Suizid zu begehen. Der Angeklagten kam alsbald ein Konvoi mehrerer Kraftfahrzeuge entgegen, von denen einige bereits zum Überholen angesetzt hatten. Die Fahrzeugführer vollzogen nach Wahrnahme des ihnen entgegenkommenden Pkw der Angeklagten sofortige Brems- und Ausweichmanöver, sodass eine Kollision noch vermieden werden konnte. Nachdem die Angeklagte knapp 500 m auf der Überholspur zurückgelegt hatte, lenkte sie in Suizidabsicht gezielt ihr Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mindestens 110 km/h auf das ihr auf der rechten Fahrspur entgegenkommende Fahrzeug der Nebenklägerin. Dabei nahm sie billigend in Kauf, dass durch den Zusammenstoß die Insassen dieses Fahrzeuges zu Tode kommen. Ihr war auch bewusst, dass durch die Verursachung einer Frontalkollision auf einer Bundesautobahn andere Verkehrsteilnehmer, unter anderem mangels Ausweichmöglichkeit, getötet oder verletzt werden können. Die Nebenklägerin versuchte noch ihr Fahrzeug auf den Standstreifen zu lenken, was ihr jedoch nicht mehr gelang. Die Fahrzeuge stießen überlappend mit dem jeweils linken Frontbereich zusammen. Die Nebenklägerin erlitt hierdurch sehr schwere und ihr Beifahrer schwere Verletzungen.
[4] b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB nicht bestehen bleiben.
[5] Zwar hat die Angeklagte durch das Wendemanöver auf der Bundesautobahn und das anschließende Befahren der Überholspur in der Gegenrichtung Tathandlungen im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB begangen. Diese haben zunächst aber nicht zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert geführt. Denn die Urteilsgründe ergeben insoweit nicht, dass es in der Folge dieses Teilaktes zu einem "Beinahe-Unfall" mit dem Gegenverkehr kam. Der Umstand, dass nach den Feststellungen einzelne Kraftfahrer Brems- und Ausweichmanöver vornehmen mussten, reicht dafür nicht aus (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 6.7.2021 – 4 StR 155/21 Rn 5; Beschl. v. 24.9.2013 – 4 StR 324/13 Rn 5). Die anschließende mit Fremd- und Selbstschädigungsvorsatz vollzogene gezielte Zufahrt auf den Pkw der Nebenklägerin und die dadurch herbeigeführte Kollision erfüllt dann den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Der im Rahmen dieses Teilaktes gleichzeitig verwirklichte Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. f) StGB trat dahinter zurück (vgl. BGH, Beschl. v. 14.11.2006 – 4 StR 446/06).
[6] 2. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Angesichts der unverändert für die Verhängung und Bemessung der Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Var. 2 JGG, § 18 JGG; § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) maßgeblichen Umstände ist auszuschließen, dass das LG bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Straßenverkehrsdelikte eine geringere als die verhängte Jugendstrafe für das von der Angeklagten verwirklichte Kapitalverbrechen festgesetzt hätte. Soweit die Jugendkammer bei der Zumessung der Jugendstrafe zum Nachteil der Angeklagten gewertet hat, dass sie kein Wort des Bedauerns an die beiden geschädigten Fahrzeuginsassen in der Hauptverhandlung richtete, erscheint dies mit Rücksicht darauf, dass sie Erinnerungslücken geltend gemacht hat, nicht unbedenklich. Denn auch im Jugendstrafrecht gilt der Grundsatz, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zum Nachteil der Angeklagten gewertet werden darf (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 4 StR 499/22). Jedoch schließt der Senat aus, dass das LG ohne Berücksichtigung dieser Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
[7] 3. Der Senat hat davon abgesehen, der Beschwerdeführerin die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74, § 109 Abs. 2 JGG). Jene hat gleichwohl die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2020 – 4 StR 583/19).
zfs 10/2024, S. 590 - 591