I. Anwaltsvergütung
Die außergerichtliche Abwehr drohender, noch nicht begonnener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Mandanten stellt im Regelfall eine Geschäftstätigkeit dar, die die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst. Eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG fällt demgegenüber nicht an. Diese Gebühr entsteht "für die Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung", die im Regelfall einen entsprechenden Antrag des Gläubigers erfordert (siehe §§ 754, 828 ZPO; § 15 ZVG). Derartige Anträge hatte hier die Sparkasse X jedoch nicht gestellt, sondern allenfalls angekündigt.
Möglicherweise kann der Mandant seinem Rechtsanwalt in einem solchen Fall schon in diesem Verfahrensstadium einen unbedingten Auftrag zur Vertretung in dem erwarteten Vollstreckungsverfahren erteilen, was dann die 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG auslöst. Dies wird in der Praxis vielfach bei der Abwehr von Zahlungsforderungen abgelehnt, weil der Gegner des Mandanten ein Gerichtsverfahren noch gar nicht eingeleitet habe. Der BGH RVGreport 2008, 223 = AGS 2008, 274 mit Anm. N. Schneider = zfs 2008, 407 mit Anm. Hansens hat jedoch für den mit der Einreichung einer Schutzschrift beauftragten Prozessbevollmächtigten des potenziellen Antragsgegners ausdrücklich anerkannt, dass dieser seinem Rechtsanwalt auch schon vor Einleitung des Verfügungsverfahrens einen unbedingten Auftrag zur gerichtlichen Vertretung erteilen kann. In dem vom OLG Celle entschiedenen Fall hatte der Beklagte seinen Rechtsanwälten einen solchen unbedingten Verfahrensauftrag offensichtlich nicht erteilt.
Zu Recht hat das OLG Celle die Auffassung des OLG Düsseldorf AGS 2002, 53 abgelehnt, der mit der Abwehr einer drohenden Zwangsversteigerung beauftragte Rechtsanwalt dürfe im Vorstadium eines solchen Verfahrens nicht die Gebühren nach § 118 Abs. 1 BRAGO, sondern nur Gebühren nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO berechnen. Ansonsten würde er für die Abrechnung der außergerichtlichen Vertretung nach § 118 Abs. 1 BRAGO stets ein höheres Honorar erhalten als ihm für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren zustehen würde. Gerade die gesetzliche Regelung im RVG widerlegt dieses Argument. Im Gegenteil belegt gerade der Gebührentatbestand der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG mit einem Gebührenrahmen bis zu 2,5, dass der Gesetzgeber die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in besonderer Weise und auch u.U. höher als die entsprechende gerichtliche Tätigkeit honorieren wollte.
II. Gegenstandswert
Der Auffassung des OLG Celle, der Gegenstandswert bestimme sich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, kann ich allerdings nicht zustimmen. Nach dieser Vorschrift gelten die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften entsprechend. Bei einem auf Abwehr noch gar nicht begonnener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerichteten Mandat kann jedoch nicht festgestellt werden, welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger ergriffen hätte. Hätte dieser die Zwangsversteigerung der Grundstücke betrieben, wäre für die dort entstehenden Gerichtsgebühren die Wertvorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgeblich, die auf den nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert abstellt. Eine solche Verkehrswertfestsetzung liegt jedoch vor Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens naturgemäß nicht vor. Stellt man auf die möglicherweise drohende Mobiliarzwangsvollstreckung ab, sind im GKG überhaupt keine Wertvorschriften vorgesehen, weil dort Festgebühren anzusetzen sind.
Sachgerechter ist es, die Vorschrift des § 25 Abs. 2 RVG entsprechend anzuwenden, nach der in Verfahren über Anträge des Schuldners der Wert nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Geht es ausschließlich um die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, so kann der Wert in der Regel auf 1/5 des Wertes der Hauptsache geschätzt werden, so BGH NJW 1991, 2280 für eine Beschwerde betreffend die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das OLG Celle ist dann jedenfalls im Ergebnis von dem zutreffenden Gegenstandswert ausgegangen.
Heinz Hansens