Das IPR kennt einige Grundprinzipien, die in Erinnerung zu rufen sind.

Zunächst gilt, dass jeweils das angerufene Gericht nach dem IPR seiner Rechtsordnung das anwendbare Recht bestimmt. Wenn demnach ein Gerichtsstand in Deutschland begründet werden kann, ist die Frage des anwendbaren Rechts nach dem deutschen Recht zu beurteilen. Ergibt die Prüfung nach der EuGVVO,[21] dass nur ein Gerichtsstand in Italien besteht, ist das anwendbare Recht aus der Sicht des italienischen IPR zu prüfen. Aus dieser Grundregel ergibt sich die Besonderheit, dass bei mehreren internationalen Gerichtsständen auch das anwendbare Recht unterschiedlich zu beurteilen ist. So kann ein italienisches Gericht unter Berücksichtigung des italienischen IPR zur Anwendung eines anderen materiellen Rechts gelangen als ein deutsches Gericht nach dem deutschen IPR. Daraus folgt, dass sich ein Günstigkeitsvergleich anbieten kann. Je nachdem, bei welchem Gericht ein Rechtsstreit anhängig gemacht wird, kann sich auch das anwendbare Recht ändern. Die Möglichkeit der Wahl mehrerer Gerichtsstände in verschiedenen Staaten nennt man im IPR das "Forum-Shopping", die damit verbundene Möglichkeit verschiedene Rechtsordnungen zur Anwendung zu bringen "Law-Shopping".

Das zweite Grundprinzip ist die gesonderte Anknüpfung von Vorfragen. Dieses Prinzip besagt, dass ein Sachverhalt nicht in allen Facetten einer Rechtsordnung unterstellt werden muss. Es kann vielmehr sein, dass einzelne Rechtsfragen eines Sachverhalts unterschiedlich zu beurteilen sind. Es muss daher stets genau geprüft werden, zu welchem Rechtsbereich die Rechtsfrage zählt, die aus einem Sachverhalt zu bewerten sind. Bei einem Verkehrsunfall ohne Personenschaden ergeben sich regelmäßig drei unterschiedliche Rechtsbereiche:

  • Einzuhaltende Verkehrsregeln
  • Haftungszuweisung
  • Umfang des Schadensersatzes.

Bei einem Unfall mit Personenschaden zusätzlich:

  • Sozialversicherungsrechtliche Vorschriften.

Je nach Sachverhalt können sich weitere Fragen ergeben. Die wichtigsten Bereiche sind:

  • Versicherungsrechtliche Fragen
  • Arbeitsrechtliche Vorschriften.

Das anwendbare Recht für jeden Bereich kann unterschiedlich geregelt sein.

 

Ein Beispiel:

Der in Aachen wohnende A, der in Belgien arbeitet, wird in Holland bei einem Unfall verletzt, den ein anderer Deutscher, der in Köln wohnt, verursacht; A wird nach längerer Arbeitsunfähigkeit arbeitslos und erhält von der Stadt Aachen Sozialhilfe. Seine Behandlungskosten bezahlt seine private Krankenversicherung, mit der er an deren Geschäftssitz in der Schweiz einen Vertrag geschlossen hat.

Es ergeben sich folgende Anknüpfungen:

  • Die Verkehrsregeln sind dem niederländischen Recht zu entnehmen
  • Die Haftungsverteilung richtet sich nach dem anwendbaren deutschen Recht
  • Die Schadensersatzansprüche richten sich ebenfalls nach dem deutschen Recht.
  • Die Frage der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung und eines Rechtsübergangs des Anspruchs auf den Arbeitgeber richtet sich nach dem Arbeitsstatut, hier dem belgischen Recht
  • Die Frage des Rechtsübergangs der Ansprüche auf den Sozialversicherungsträger wegen der Leistung der Sozialhilfe richtet sich nach dem Sozialstatut, hier dem deutschen Recht
  • Welche Ansprüche auf die Krankenversicherung in der Schweiz übergehen richtet sich nach dem Versicherungsstatut, das sich aus einer Rechtswahl in den Versicherungsbedingungen oder aus den allgemeinen Regeln ergeben kann, diese würden das schweizerische Recht zur Anwendung bringen.

Die jeweilige Anknüpfung ist daher stets gesondert zu prüfen.

Das dritte Grundprinzip des IPR ist die Verweisung auf das gesamte Recht eines bestimmten Staates, zu dem wiederum auch das IPR gehört. Das IPR dieser Rechtsordnung kann bestimmen, dass das Recht des Ausgangsstaates anwendbar ist, dann erfolgt eine sog. Rückverweisung (Renvoi), die zur Anwendung des Schadensersatzrechts des Ausgangsstaates führt. Ein Beispiel: In München ereignet sich ein Unfall zwischen zwei Fahrzeugen, von denen eines in Österreich und eines in Deutschland zugelassen ist. Beide Fahrer haben jedoch ihre Wohnsitze in Wien bzw. in Salzburg. Das deutsche IPR sieht bis zum Inkrafttreten der Rom-II-VO vor, dass bei einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und Geschädigtem in einem Staat dieses Recht zur Anwendung gelangt. Österreich ist jedoch Mitgliedsstaat des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anwendbare Recht. Dieses sieht vor, dass das Recht des Unfallortes vorrangig ist. Nur dann wenn beide Fahrzeuge in einem anderen Staat zugelassen wären, käme österreichisches Recht zur Anwendung. Es findet daher eine Rückverweisung auf Deutsches Recht statt. Der Unfall wird daher gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB nach dem deutschen Haftungs- und Schadensersatzrecht reguliert.

Art. 24 Rom-II-VO schließt jedoch eine Rückverweisung aus. Die Zuweisung des Sachverhalts an eine Rechtsordnung ist abschließend.

[21] Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von En...

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