1. Anwendbarkeit der EuGVO

Die internationale Zuständigkeit bei Klagen aus vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen richtet sich für EU-mitgliedstaatliche Gerichte grundsätzlich nach der EuGVO.[1] Diese ist sachlich in Zivil- und Handelssachen, Art. 1 Abs. 1 EuGVO[2] und räumlich-persönlich bei (Wohn-)Sitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat anwendbar, Art. 3, 4 EuGVO.[3] Eine Einschränkung lediglich auf Fälle zwischen den Mitgliedstaaten besteht nicht.[4]

[1] VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, v. 22.12.2000, ABl 2001 Nr. L 12, 1.
[2] Der Begriff der Zivil- und Handelssache nach Art. 1 EuGVO ist vertragsautonom zu bestimmen und grds. weit auszulegen. Umfasst sind alle Zivilsachen, gleichgültig vor welchem Gericht. Ausgenommen sind nur öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, also Streitigkeiten, bei denen das den Streitgegenstand zwischen den Parteien beherrschende Verhältnis hoheitlicher Natur ist, EuGH Rs C-271/00, Gemeente Steenbergen/Baten, EuGHE 2002 I 10489 Rn 28; Rs C-7/98, Krombach/Bamberski, EuGHE 2000 I 1935 Rn 30; Rs C-172/91, Sonntag/Waidmann, EuGHE 1993 I 1963 Rn 18; Rs 29/76, LTU/Eurocontrol, EuGHE 1976, 1541 Rn 3; Kropholler, EuZPR, 8. Aufl. Frankfurt 2005, Art. 1 EuGVO Rn 3 ff.; Rauscher-Mankowski, EuZPR Bd. 1, 2. Aufl. München 2006, Art. 1 Brüssel I-VO Rn 1 ff. m.w.N.
[3] Im Verhältnis zu den (nicht der EuGVO unterfallenden) LugÜ-Mitgliedstaaten, insb. zur Schweiz, geht allerdings das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, v. 16.9.1988 (LugÜ) vor, 68 Abs. 2 EuGVO, 54b Abs. 2 LugÜ, Dasser/Oberhammer-Domej, LugÜ, Bern 2008, Art. 54b LugÜ Rn 1. Hat also der Beklagte seinen Wohnsitz in der Schweiz, so richtet sich die internationale Zuständigkeit EU-mitgliedstaatlicher Gerichte nach Art. 2 ff. LugÜ. Hat dagegen lediglich der Kläger seinen Wohnsitz in einem Nur-LugÜ-Staat, der Beklagte jedoch in einem EU-Mitgliedstaat, bleibt die EuGVO anwendbar, Dasser/Oberhammer-Domej (a.a.o.), Art. 54b LugÜ Rn 4. Das LugÜ enthält in Art. 2 ff. der EuGVO weitgehend entsprechende Regelungen.
[4] Die Gerichte eines Mitgliedstaats wenden die EuGVO auch ohne Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat an, EuGH Rs C-281/02, Owusu/Jackson, EuGHE 2005 I 1383 Rn 24 ff.; Rs C-412/98, Josi/Ugic, EuGHE 2000 I 5925 Rn 33 ff., 60 = IPRax 2000, 520; Rauscher-Mankowski (Fn 6), Vorbem. Art. 2 Brüssel I-VO Rn 11; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. München 2009, Art. 2 EuGVO Rn 5.

2. Zuständigkeitsregeln

Der Pistennutzer schließt den Vertrag mit den Bergbahnen zu privaten Zwecken, handelt also als Verbraucher i.S.d. Art. 15 EuGVO, während die Bergbahnen als Bergbahn- und Skigebietsbetreiber, eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Da der Dienstleistungs- und Beförderungsvertrag jedoch zumeist vor Ort im Skigebiet, also nicht im Hoheitsgebiet des Wohnsitzes des Verbrauchers, abgeschlossen wird, ist das spezielle Verbraucher-Zuständigkeitsregime der Art. 15 ff. EuGVO ausgeschlossen, Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVO.[1]

Die internationale Zuständigkeit richtet sich folglich nach Art. 2 ff. EuGVO, ist also grundsätzlich für die Gerichte am (Wohn-)Sitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat gegeben, Art. 2 Abs. 1 EuGVO. Die (Wohn-)Sitzbestimmung erfolgt nach dem Recht des Staates, in dem der (Wohn-)Sitz belegen sein soll, also nach der lex fori, Art. 59 Abs. 1 EuGVO.

Eine besondere internationale und örtliche Zuständigkeit kann sich in einem anderen Mitgliedstaat bei Verfahren hinsichtlich vertraglicher Ansprüche, etwa aus Dienstleistungsverträgen am Ort der Leistungserbringung im Mitgliedstaat ergeben, Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO. Der Begriff der "vertraglichen Ansprüche" ist verordnungsautonom weit auszulegen und umfasst jede freiwillige, also willensgesteuerte, Verpflichtung einer Vertragspartei gegenüber der anderen.[2] Diese Verpflichtung lässt eine rechtsgeschäftliche Sonderverbindung zwischen den Parteien entstehen. Auch der Begriff "Dienstleistung" ist autonom und in Anlehnung an Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ, Art. 5 EVÜ, Art. 50 EGV weit auszulegen, so dass jegliche entgeltliche gewerbliche, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeit umfasst ist.[3] Dienstverträge i.S.d. Vorschrift sind also etwa Beförderungs- sowie Beherbergungsverträge,[4] so dass der mit dem Pistenbetreiber geschlossene Vertrag unter Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO subsumiert werden kann.

Eine besondere internationale und örtliche Zuständigkeit kann sich weiter bei Verfahren hinsichtlich unerlaubter Handlungen am Ort des schädigenden Ereignisses ergeben, Art. 5 Nr. 3 EuGVO. Der Begriff der unerlaubten Handlung ist dabei ebenfalls autonom auszulegen und darunter jede Schadenshaftung zu fassen, die nicht aus einem Vertrag, also einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung, herrührt.[5] Auch der Ort des schädigenden Ereignisses ist autonom auszulegen. Nach dem EuGH ist dies sowohl der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch...

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