StVG § 2 Abs. 4 S. 2; FeV §§ 11 Abs. 8, 23 Abs. 2 S. 1; FeV Anlage 4 Nr. 7.6.3; BayVwVfG Art. 49
1. Soll wegen fehlender Eignung oder mangelnder Befähigung die Fahrerlaubnis aberkannt werden, ist das Rechtsinstitut der Entziehung der Fahrerlaubnis als spezialgesetzliche Vorgabe gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über Widerruf und Rücknahme von Verwaltungsakten vorrangig. Nur soweit eine Fahrerlaubnis aus Gründen aberkannt werden soll, die keinen Bezug zur Eignung oder Befähigung des Inhabers aufweisen, kann ggf. auf die allgemeinen Regelungen des Art. 48 f. BayVwVfG zurückgegriffen werden.
2. § 11 Abs. 8 FeV erlaubt es der Behörde unmittelbar nur dann auf die Nichteignung des Betroffenen zu schließen, wenn er sich geweigert hat, sich einer von ihm verlangten Untersuchung zu unterziehen, oder wenn ein von der Fahrerlaubnisbehörde verlangtes Gutachten nicht fristgerecht beigebracht wurde. Der hierin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist auf vergleichbare Fallgestaltungen anwendbar. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn eine Auflage nach § 2 Abs. 4 S. 2 StVG, § 23 Abs. 2 S. 1 FeV zur regelmäßigen Vorlage von Befundberichten über durchgeführte Kontrolluntersuchungen mit ärztlichen Aussagen über die Fahreignung nicht befolgt wird.
3. Damit aus der Nichtbefolgung einer solchen Anordnung die Fahrungeeignetheit der betroffenen Person hergeleitet werden kann, dürfen allerdings an die Zulässigkeit einer solchen Schlussfolgerung keine geringeren Anforderungen gestellt werden, als sie bei einer förmlichen Aufforderung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, erfüllt sein müssen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Bayerischer VGH, Beschl. v. 25.5.2010 – 11 CS 10.291
Aus den Gründen:
[21] “… II. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht die Notwendigkeit, den angefochtenen Beschluss abzuändern.
[22] 1. Die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nummern 1 und des Bescheidstenors genügt den sich aus § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ergebenden Anforderungen in zweifelsfreier Weise. In Abschnitt II. 3 der Bescheidsgründe hat das Landratsamt – anknüpfend an die Gegebenheiten des konkreten Falles – eingehend dargelegt, warum es aus seiner Sicht nicht verantwortet werden kann, dass ein von der Antragstellerin eingelegter Anfechtungsrechtsbehelf aufschiebende Wirkung entfaltet. Die insoweit angeführten Belange der Sicherheit des Straßenverkehrs wurden mit den gegenläufigen Interessen der Antragstellerin abgewogen (vgl. die Ausführungen am Ende des zweiten und des dritten Absatzes in Abschnitt II. 3 der Bescheidsgründe). Unschädlich ist, dass die zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehbarkeit angeführten Gesichtspunkte weitgehend mit denjenigen übereinstimmen, die den Entzug der Fahrerlaubnis als solchen erforderlich machen. Das Landratsamt ging zutreffend davon aus, dass Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet wären, dürfte die Antragstellerin weiterhin Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen. Besteht aber eine solche Gefahrenlage, kann angesichts des hohen Rangs, den die zu schützenden Rechtsgüter genießen, nicht abgewartet werden, bis eine zur Gefahrenabwehr ergangene Anordnung kraft Gesetzes vollziehbar wird. Denn selbst dann, wenn die aufschiebende Wirkung gem. § 80b Abs. 1 VwGO vor der Ausschöpfung aller Rechtsmittelmöglichkeiten enden sollte, kann bis dahin (zumal wenn der Betroffene zuvor Widerspruch einlegt) u.U. deutlich mehr als ein Jahr vergehen.
[23] 2. Zu Unrecht behauptet die Antragstellerin, sie habe nicht gegen die Verpflichtung verstoßen, die sich aus der im Bescheid vom 30.11.2005 enthaltenen Auflage ergibt. Aus dem Wortlaut dieser Nebenbestimmung geht in zweifelsfreier Deutlichkeit hervor, dass die vorzulegenden Befundberichte eine Aussage auch über die Kraftfahreignung der Antragstellerin enthalten müssen. Die Beschwerdebegründung stellt nicht in Abrede, dass das Attest, das die Antragstellerin am 7.9.2009 dem Landratsamt zur Kenntnis brachte, sich zu dieser Frage nicht geäußert hat.
[24] Bei der in den Bescheid vom 30.11.2005 aufgenommenen Nebenbestimmung handelt es sich um eine Auflage im Sinn von § 2 Abs. 4 S. 2 StVG und§ 23 Abs. 2 S. 1 FeV. Weder das StVG noch die FeV regeln ausdrücklich, welche Rechtsfolgen es für den Fortbestand einer Fahrerlaubnis nach sich zieht, wenn ihr Inhaber eine solche Auflage missachtet.
[25] Einem Rückgriff auf Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG steht entgegen, dass das Rechtsinstitut der Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb seines Anwendungsbereichs – d.h. soweit dem Inhaber diese Berechtigung wegen fehlender Eignung oder mangelnder Befähigung aberkannt werden soll – gegenüber den Bestimmungen über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten vorrangig ist (HessVGH v. 4.6.1985 VRS Bd. 70, S. 228/229; NdsOVG v. 27.9.1991 – 12 M 7440/91, juris, Rn 2; VGH BW v. 17.12.1991, VRS...