ZPO § 91 Abs. 1 § 104 Abs. 1 § 253 Abs. 2 Nr. 2 § 322 Abs. 1; VV RVG Nr. 3100 Nr. 3202
Leitsatz
1. Der Streitgegenstandsbegriff im Kostenfestsetzungsverfahren ist mit dem des allgemeinen Erkenntnisverfahrens identisch.
2. Verfahrensgebühr und Terminsgebühr entstehen aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte. Daher ist es nicht statthaft, eine angemeldete, aber nicht zu erstattende Verfahrensgebühr gegen eine zwar angefallene, aber nicht angemeldete Terminsgebühr auszutauschen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 23.9.2011 – 14 W 543/11
Der Kl. hatte im Kostenfestsetzungsverfahren beantragt, gegen den erstattungspflichtigen Bekl. eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer festzusetzen. Dem hat der Rechtspfleger des LG durch Beschl. v. 3.8.2011 entsprochen. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Bekl. beanstandet, dass die teilweise Anrechnung der – titulierten – Geschäftsgebühr unterblieben ist. Diesen Einwand hat der Rechtspfleger als begründet angesehen, gleichwohl der sofortigen Beschwerde aber nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, neben der Verfahrensgebühr sei auf Klägerseite auch eine Terminsgebühr angefallen und daher vom Bekl. zu erstatten, was im Endergebnis einen noch höheren als den festgesetzten Erstattungsbetrag ergebe. Das OLG Koblenz hat die Sache unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses an das LG zurückgegeben.
1 Aus den Gründen:
“Der Auffassung des LG kann nicht gefolgt werden. Der in JurBüro 1990, 211 – 212 abgedruckten, scheinbar einschlägigen Senatsentscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der zunächst fehlende Antrag mit der Erinnerung nachgeholt worden war. Die Rechtsfrage nach der Statthaftigkeit eines "Austauschs" von Kostenpositionen trotz fehlenden Antrags stellte sich daher nicht, so dass in den damaligen Ausführungen nur ein nicht tragendes "obiter dictum" zu sehen ist.
Der vorliegende Fall liegt anders (vgl. zum Problem auch Senat in JurBüro 1992, 610 – 611). Der Kl. hat nämlich die Festsetzung einer Terminsgebühr nicht beantragt.
Der Zivilprozess und damit auch das Kostenfestsetzungsverfahren sind vom Antragsgrundsatz beherrscht (§§ 104 Abs. 1 S. 1, 308 Abs. 1 S. 1 ZPO). Verfahrensgebühr und Terminsgebühr knüpfen an unterschiedliche tatsächliche Umstände an, so dass nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, von dem auch bei der Kostenfestsetzung auszugehen ist, keine Identität der Streitgegenstände besteht.
Dem Rechtspfleger ist allerdings zuzugeben, dass eine in Rspr. und Literatur verbreitete Ansicht einen Austausch angemeldeter, indes nicht zu erstattender Kosten gegen angefallene, aber nicht zur Erstattung angemeldete Kosten im Verfahren nach § 104 ZPO zulässt (vgl. die Nw. bei v. Eicken/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl., Rn B 72, B 200 und D 117). Zur Begründung heißt es etwa bei Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104 ZPO Rn 23, eine seit langem bestehende "und aus Billigkeitsgründen berechtigte Praxis" beziehe den Antragsgrundsatz nur auf den Gesamtbetrag der verlangten Kosten und gestatte innerhalb dieser Grenze den Austausch eines nicht berechtigten Ansatzes gegen einen berechtigten, aber nicht geforderten.
Das ist nach Auffassung des Senats nicht richtig. Der Antragsgrundsatz hat im Kostenfestsetzungsverfahren dieselbe Bedeutung wie im allgemeinen Erkenntnisverfahren.
Wird dort bspw. wegen einer Körperverletzung statt des berechtigten Schmerzensgeldes von lediglich 500 EUR ein solches von 1.000 EUR beantragt und beiläufig noch ein Verdienstausfallschaden von 2.000 EUR aus demselben Sachverhalt dargelegt, indes nicht eingeklagt, zieht niemand in Betracht, der Klage in vollem Umfang stattzugeben mit der Begründung, der Schädiger schulde zwar nur 500 EUR Schmerzensgeld, die insoweit zum Klageantrag fehlenden 500 EUR seien jedoch aus dem dargelegten, indes nicht eingeklagten Verdienstausfallschaden von 2.000 EUR "aufzustocken".
Weshalb im Kostenfestsetzungsverfahren etwas anderes gelten soll, lässt sich nicht überzeugend begründen. Im Übrigen ist auch nicht auszuschließen, dass der Kl. die Anmeldung der Terminsgebühr nicht übersehen, sondern insoweit bewusst keinen Antrag gestellt hat, etwa aufgrund einer entsprechenden, nicht aktenkundigen Absprache mit dem Bekl. Gegebenenfalls wird der Kl. durch den Austausch der hälftigen Verfahrensgebühr gegen einen Teil der Terminsgebühr mit einem Anspruch beglückt, dessen er sich nicht berühmt und den er erst recht nicht tituliert haben möchte.
Es trifft auch nicht zu, dass der den Streitgegenstand sprengende Austausch von Kosten "aus Billigkeitsgründen" rechtens ist. Das verdeutlicht folgende Überlegung:
Der vom Rechtspfleger vorgenommene Austausch gewährt dem Kl. eine Verzinsung der Terminsgebühr ab Einreichung des Kostenfestsetzungsantrages vom 4.7.2011, obwohl dieser nur die Verfahrensgebühr zum Gegenstand hat. Das steht nicht in Einklang mit § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, der bestimmt, dass die "festgesetzten Kosten" auf Antrag ab Eingang des Festsetzungsantrages zu verzinsen sind. Da es sich bei den "festgesetzten Kosten...