ARB 2000 § 3 Abs. 2f; ARB 2008 § 3 Abs. 2c § 15 Abs. 1d cc § 17 Abs. 5c cc
Leitsatz
1. Der Erwerb von Aktien eines nicht börsennotierten Unternehmens ist weder ein Termin- noch ein vergleichbares Spekulationsgeschäft (§ 3 Abs. 2f ARB 2000). Verlangt der Versicherungsnehmer mit dem Vortrag, bei Erwerb der Kapitalanlage durch einen Mitarbeiter dieses Unternehmens getäuscht worden zu sein, Schadensersatz, liegt auch keine Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Recht der Handelsgesellschaften vor (§ 3 Abs. 2c ARB 2005/2008/2009).
2. Besteht ein langjähriges Rechtsschutzversicherungsverhältnis und stellt der Versicherungsnehmer im Laufe der Jahre lediglich "Veränderungsanträge", die allein andere Bereiche des Deckungsschutzes betreffen haben, ist nicht anzunehmen, dass sein Versicherungsschutz auch hinsichtlich identischer Leistungsarten jeweils zum Zeitpunkt der Veränderungsvereinbarung einen neuen "Beginn" genommen hat.
3. Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Klausel, wonach der Versicherungsnehmer "alles zu vermeiden (hat), was eine unnötige Erhöhung der Kosten … verursachen könnte" (§ 15 Abs. 1d cc ARB 75; § 17 Abs. 5c cc ARB 2005/2008/2009).
OLG Hamm, Urt. v. 10.8.2011 – I-20 U 31/11
Sachverhalt
Der Kl. erwarb 1999 Aktien eines in der Türkei ansässigen Unternehmens. Er macht geltend, durch einen Mitarbeiter des Unternehmens über die – nach türkischem Recht nicht bestehende – Möglichkeit, seine Einlage jederzeit zurückverlangen zu können, getäuscht worden zu sein. Deshalb wolle er im deutschen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung Klage erheben. Sein verklagter Rechtsschutzversicherer verweigerte dafür eine Deckungszusage unter anderem mit der Begründung, ein auf Einlagenrückgewähr erkennendes deutsches Urt. werde in der Türkei nicht anerkannt, der Rechtsstreit führe daher zu einer unnötigen Erhöhung der Kosten.
2 Aus den Gründen:
“ … Wie in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, haben die “ARB 2000’ der Vertragsbeziehung der Parteien zu keinem Zeitpunkt zugrunde gelegen. Das Rechtsschutzversicherungsverhältnis ist durch Anträge des Kl. v. 1.3.1990 und 10.4.1990 und den nachfolgenden Versicherungsscheinen der Bekl. v. 5.4.1990 und 27.4.1990 begründet worden. Dem Versicherungsverhältnis, das u.a. “Familien-Rechtsschutz gem. § 25 ARB’ umfasste, lagen die “ARB 75, Stand Januar 1990’ zugrunde.
Sodann sind auf Veränderungsantrag des Kl. v. 4.5.2005 mit nachfolgendem Versicherungsschein v. 11.5.2005 die D-ARB 2000, Stand 1.1.2005, vereinbart worden, wobei u.a. der “Privat- und Berufs-Rechtsschutz gem. § 25 D-ARB 2000/Tarif 2005’ eingeschlossen war (nachfolgend ARB 2005). Auf weiteren Veränderungsantrag v. 21.10.2008 mit nachfolgendem Versicherungsschein v. 1.12.2008 sind die “D-ARB 2008 Stand 1.1.2008’ einbezogen worden, wobei u.a. “Privat-Rechtsschutz gem. § 23 D-ARB 2008 für Selbständige’ vereinbart war (nachfolgend ARB 2008). Auf den Veränderungsantrag vom 10.9.2009 mit nachfolgendem Versicherungsschein v. 28.11.2009 kam es sodann zur Geltung der “ARB 2008, Stand 1.1.2009’, der sich erneut u.a. auf “Privat-Rechtsschutz für Selbständige gem. § 23 D-ARB 2008 Stand 2009/Tarif 2009’ bezog (nachfolgend ARB 2009). Schließlich kam es auf Veränderungsantrag vom 7.9.2010 und nachfolgendem Versicherungsschein vom 25.11.2010 zur Geltung der “ARB 2010, Stand 1.7.2010’ mit Einschluss von “Privat-Rechtsschutz (Komfort) gem. § 23 D-ARB 2010’ (nachfolgend ARB 2010).
2. Im Ausgangspunkt wäre die Bekl. mit dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines Spekulationsgeschäfts zwar nicht präkludiert. Allerdings hat sie sich bei ihrer Leistungsablehnung vom 2.6.2010 allein auf den Gesichtspunkt einer unnötigen Kostenerhöhung gestützt. Eine dem § 158n S. 3 VVG a.F. (gleich lautend nunmehr § 128 S. 3 VVG n.F.) entsprechende Regelung ist jedoch für den Bereich des Vorliegens eines Risikoausschlusses nicht existent. Zwar hat die Bekl. in ihrem Ablehnungsschreiben vom 2.6.2010 zugleich Rechtsschutz für eine Klage in der Türkei bestätigt, was nur verständlich ist, wenn die Bekl. zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen eines Spekulationsgeschäfts verneint hat. Dies kann die Bekl. jedoch nicht hindern, sich – soweit sie Deckung für die Interessenwahrnehmung in Deutschland verweigert hat – hierzu ergänzend auf das Vorliegen eines Risikoausschlusses eines Spekulationsgeschäftes zu berufen, weil in Folge der ausgesprochenen Kostenschutzverweigerung ohnehin kein schützenswerter Vertrauenstatbestand beim Kl. hervorgerufen wurde.
3. Das von § 4 Abs. 1g) ARB 75 Stand Januar 1990 allein erfasste Vorliegen eines Spiel- und Wettvertrages ist hier ohne weiteres zu verneinen.
4. Ebenfalls zu verneinen ist das vom LG unter der Annahme der Geltung der ARB 2000 bejahte Vorliegen eines Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäftes. Ein Termingeschäft ist durch seine zeitlich verzögerte Erfüllung sowie dadurch geprägt, dass die Absicht besteht, im Termin nicht wirklich zu erfüllen, sondern nur den Unterschied zwischen dem vereinbarten und dem Börsen- oder Marktpreis zu zahlen ...