Nomos Verlag, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-8329-6533-4, 1.952 Seiten, 138 EUR
Das Versicherungsrecht ist nicht nur eine eigene Materie; es ist auch äußerst komplex und unübersichtlich. In der 2. Auflage gelingt es dem Kommentar, das nun 3 Jahre in Kraft befindliche neue VVG auf etwa 2.000 Seiten komprimiert zu kommentieren.
Knappe Kommentierungen finden sich auch zum Pflichtversicherungsgesetz, zur Kfz-PflichtversicherungsVO, zu den AKB 2008, zu den Sonderbedingungen Kfz-Handel zu den AFB (Feuerversicherung), zu den Versicherungsbedingungen Wohngebäude und Hausrat, zu den AHB (Haftpflichtversicherung) und den ARB 2010, um nur einige zu nennen. Den 14 Autoren aus der Praxis gelingt es hierbei, die Materie mit Leben zu füllen und komplexe Fragestellungen anschaulich und durchweg griffig darzustellen.
Nachdem die Versicherungswirtschaft historisch gesehen der erste AGB Verwender war, legt auch die Kommentierung in der Einleitung großes Gewicht auf AGB-rechtliche Fragen (etwa Rn 52 ff.).
Der Kommentar geht hierbei den richtigen Weg, dem Leser das VVG wie auch einzelne Versicherungsbedingungen in seiner ganzen Bandbreite knapp und präzise zu erläutern und für Lehre und Praxis wichtige Punkte besonders herauszustellen. Vertiefungshinweise finden sich fast überall, insbesondere auch in den prägnant kommentierten Bedingungswerken.
Angesprochen werden Juristen in der Ausbildung aber auch Praktiker, einschließlich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die sich einen soliden Überblick über den aktuellen Stand des VVG verschaffen wollen. Den Autoren gelingt hierbei die Kunst, den Leser einzubinden und an den wohlbedachten praktischen Lösungen teilhaben zu lassen.
Literatur und Rechtsprechung werden, soweit ersichtlich, bis etwa Mai 2011 ausgewertet. So ist etwa in § 5 Rn 5 ARB berücksichtigt, dass die Selbstvertretung des Rechtsanwalts in eigener Sache nicht ausgeschlossen werden kann (BGH v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08 = NJW 2011, 235 = VersR 2011, 67). Die Relevanzrechtsprechung findet sich bei Ziffer 26 Rn 5 AHB. Nach der so genannten Relevanzrechtsprechung des IV. Senats kann sich der Versicherer nur dann gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. auf Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverletzung berufen, wenn diese generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fiel. (BGH v. 10.11.2010 – IV ZR 122/09, VersR 2011, 369 Rn 16; BGH v. 6.7.2011, IV ZR 108/07 (Anzahl von Pkw Schlüsseln); v. 4.5.2009 – IV ZR 62/07, VersR 2009, 968 Rn 9; BGH v. 28.2.2007 – IV ZR 331/05, VersR 2007, 785 Rn 15; v. 7.7.2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117 unter 3; v. 21.1.1998 – IV ZR 10/97, VersR 1998, 447 unter 2 b; v. 7.12.1983 – IVa ZR 231/81, VersR 1984, 228, 229; jeweils m.w.N.). Die Leistungsfreiheit setzt weiter voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht. (BGH v. 4.5.2009 a.a.O.; v. 28.2.2007 – IV ZR 152/05, VersR 2007, 683 Rn 2; BGH v. 21.1.1998 a.a.O. unter 2 c; jeweils m.w.N.). Falsche Angaben können daher nicht generell zum Ausschluss der Versicherungsleistung führen, sondern nur dann, wenn diese für die Leistungspflicht relevant sind. Die Klausel: "Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle Angaben wahrheitsgemäß und vollständig zu machen. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann, wenn dem Versicherer daraus keinerlei Nachteile entstehen. Der Versicherungsschutz kann selbst dann entfallen, wenn der Versicherungsnehmer die Beantwortung der Fragen des Versicherers nur verzögert." wird gleichwohl vom BGH noch gebilligt, was schwer nachzuvollziehen ist (BGH v. 22.6.2011 – IV ZR 174/09, zfs 2011, 573).
Zusammenfassend: Dieser Kommentar ist aus dem Schatten bekannterer Werke herausgetreten und wirft nun selber seine Schatten. Aufgrund seiner Übersichtlichkeit und Stringenz in der Darstellung liegt eine echte Bereicherung der versicherungsrechtlichen Kommentarliteratur vor. Auch die Verarbeitungsdichte aktueller Urteile und Fachbeiträgen ist ausgesprochen lobenswert.
RA Dr. Jürgen Niebling, München-Pullach