Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14.10.2011 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 29.9.2011 verabschiedeten Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 i.V.m. Abs. 2 GG zuzustimmen (BR-Drucks 587/11 B). Das Gesetz soll dem Betroffenen die Nachteile ersetzen, die bei einer Verletzung seines in Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit entstanden sind. Zwar gewährt bereits der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Schadensersatz bei pflichtwidriger Verzögerung eines Rechtsstreits. Wegen der Beschränkung auf schuldhafte Verzögerungen und der fehlenden Berücksichtigung von Nichtvermögensschäden genügt dieser Anspruch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) jedoch nicht den Vorgaben der EMRK (vgl. Urteil des EGMR vom 26.10.2000 – Nr. 30201/96). Diese Rechtsschutzlücke soll nun durch das neue Gesetz geschlossen werden.
Das Gesetz fügt in das GVG einen 17. Titel "Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" ein (§§ 198 ff. GVG-neu). Danach wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet (§ 198 Abs. 1 S. 1 GVG-neu). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 S. 2 GVG-neu). Verfahrensbeteiligter ist jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme bestimmter öffentlicher Stellen (§ 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG-neu). Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge), § 198 Abs. 3 GVG-neu. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessen Zeit abgeschlossen wird. Die Wiederholung der Verzögerungsrüge ist grundsätzlich erst nach sechs Monaten möglich. Eine Entschädigungsklage kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge und muss spätestens sechs Monate nach Rechtskraft oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens erhoben werden (§ 198 Abs. 5 GVG-neu). Zuständig für die Klage ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Regierung des beklagten Landes ihren Sitz hat, bzw. – bei Klagen gegen den Bund – der Bundesgerichtshof (§ 201 Abs. 1 GVG-neu). Hat ein Verfahren zu lange gedauert, wird der Eintritt eines Nichtvermögensnachteils vermutet und grundsätzlich mit 1.200 EUR pro Jahr der Verzögerung entschädigt. Die diesbezüglichen Einzelheiten regelt § 198 Abs. 2 GVG-neu. Für Strafverfahren gilt die Neuregelung nach Maßgabe von § 199 GVG-neu.
Das Gesetz fügt ferner einen IV. Teil "Verzögerungsbeschwerde" in das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ein (§§ 97a bis 97e). Danach wird entschädigt, wer infolge einer überlangen Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht einen Nachteil erleidet (§ 97a Abs. 1 BVerfGG-neu). Die Erhebung der Verzögerungsbeschwerde setzt die Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus, die frühestens zwölf Monate nach Eingang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht zulässig ist (§ 97b Abs. 1 BVerfGG). Über die Verzögerungsbeschwerde entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts, in die das Plenum zwei Richter aus jedem Senat beruft (§ 97c Abs. 1 BVerfGG-neu).