BGB § 164 § 929 § 932 § 952 § 985; StGB § 263 § 246; StVZO § 25
Leitsatz
1. Ein gutgläubiger Erwerb kann ausscheiden, wenn der Verkäufer das veräußerte Fahrzeug unterschlagen hat und sich unter Vorweisen des scheinbar zum Fahrzeug gehörenden Kraftfahrzeugbriefes als der darin bezeichnete Eigentümer ausgibt.
2. Wird ein gestohlenes Wohnmobil im Internet unter Angabe einer Handynummer zum Verkauf angeboten, reicht die Aushändigung eines scheinbar echten Fahrzeugbriefs nicht aus, um Gutgläubigkeit des Erwerbers zu begründen, wenn daneben zahlreiche Indizien darauf deuten, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer ist (hier: fehlende Papiere und Schlüssel; Bezahlung eines hohen Betrages auf einem Parkplatz; eklatante Rechtschreibschwäche eines angeblichen Polizisten).
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Koblenz, Urt. v. 4.11.2010 – 5 U 883/10
Sachverhalt
Der Kl. hat die Bekl. auf Herausgabe eines Wohnmobils in Anspruch genommen. Er hatte das Wohnmobil im Rahmen seines Gewerbes an eine Frau vermietet, die einen gefälschten Personalausweis auf den Namen Sch vorlegte. Das Fahrzeug, das nach der Darstellung des Kl. einen Wert von mindestens 31.000 EUR hatte, wurde im Internet unter Angabe einer Handynummer zum Preis von 24.500 EUR zum Verkauf angeboten. Die Bekl. nahm mit dem Anbieter telefonischen Kontakt auf und besichtigte den Wagen am folgenden Tage mit ihrem Ehemann auf einem Moselparkplatz, auf dem weitere Wohnmobile standen. Bei dem zweiten Treffen auf einem anderen nahe gelegenen Parkplatz schloss die Bekl. einen schriftlichen Kaufvertrag mit dem Anbieter, der unter dem Namen des Kl. auftrat. Die Bekl. vergewisserte sich nicht über die Identität des Veräußerers. Dieser gab an, Polizeibeamter zu sein. Der Kaufpreis wurde mit 24.000 EUR vereinbart, den die Bekl. in bar entrichtete. Das von dem Veräußerer ausgefüllte Vertragsformular enthielt zahlreiche schwerwiegende Rechtschreibfehler. Die Bekl. erhielt einen Satz von Schlüsseln, mit denen sich die Zündung des Wohnmobils betätigen ließ und Toilette und Safe öffnen ließen. Der für den Safe bestimmte Schlüssel passte jedoch nicht. Weiterhin händigte der Verkäufer eine Zulassungsbescheinigung II (Kfz-Brief) aus, unter deren Vorlage die Bekl. das Fahrzeug auf sich ummelden konnte. Später wurde die Fälschung dieser Bescheinigung festgestellt.
Das LG hat die Herausgabeklage des Kl. mit der Begründung abgewiesen, dass die Bekl. auf Grund der überlassenen Schlüssel und der Zulassungsbescheinigung gutgläubig Eigentum erworben habe. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
“Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urt. und zum Zuspruch der Klage. Entgegen der Auffassung des LG hat der Kl. das Eigentum an dem streitigen Fahrzeug nicht an die Bekl. verloren, sodass ihm ein in § 985 BGB begründeter Herausgabeanspruch zusteht.
1. Die erstinstanzliche Entscheidung begegnet bereits in ihrem rechtlichen Ansatz, einen Eigentumserwerb der Bekl. aus § 932 BGB herzuleiten, gewichtigen Zweifeln. Die Vorschrift des § 932 BGB regelt die Veräußerung durch einen Nichtberechtigten. Sie hat die Situation im Auge, in der ein Nichtberechtigter vortäuscht, Eigentümer einer Sache zu sein, und aus dieser Stellung heraus verfügt. Davon weicht der vorliegende Fall ab. Allerdings war der Verkäufer des Wohnmobils. nicht zur Eigentumsübertragung befugt, sodass er als Nichtberechtigter handelte. Aber er tat das unter dem Namen des Kl., indem er vorgab, Bernd W zu heißen und damit diejenige Person zu sein, auf die die Zulassungsbescheinigung II ausgestellt war. Das gibt dem Fall ein besonderes Gepräge:
Freilich ist die Benutzung eines fremden Namens belanglos, wenn dem Geschäftsgegner der Name gleichgültig ist und es ihm grundsätzlich nur darauf ankommt, mit der Person zu kontrahieren, der er sich gegenübersieht. Anders liegen die Dinge jedoch dort, wo er daran interessiert ist, das Rechtsgeschäft mit dem Namensträger abzuschließen. In diesem Fall gelangen vertretungsrechtliche Regeln zur Anwendung, sodass der Handelnde nicht, wie es § 932 BGB voraussetzt, ein Eigengeschäft vornimmt, sondern als bloßer Vertreter auftritt, obwohl ihm der Vertretungswille fehlt (BGHZ 45, 193, 195; BGH WM 1990, 1450, 1451; Palm, in: Erman, BGB, 12. Aufl., § 164 Rn 8).
Eben das war die Situation, in der sich die Bekl. befand. Für sie war wesentlich, mit demjenigen einen Übereignungsvertrag zu schließen, auf den die Zulassungsbescheinigung II lautete, weil allein er hinreichend als Eigentümer legitimiert war und der Erwerb von einer anderen Person in seiner Rechtsgültigkeit fragwürdig sein musste (BGH NJW 2006, 3488, 3489). Deshalb gab der Verkäufer seine Willenserklärung im Namen des Kl. ab (OLG Düsseldorf NJW 1985, 2484; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Aufl., § 164 Rn 11; a.A. OLG Düsseldorf NJW 1989, 906 f.; Müko-BGB/Oechsler, 5, Aufl., § 932 Rn 63), sodass ein Eigentumsübergang dessen Vollmacht voraussetzte (§ 164 Abs, 1 BGB). Eine Vollmacht ist jedoch nie erteilt worden, und sie lässt sich auch nicht nach Duldungs- oder Anscheinsregeln hers...