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Nach Maßgabe der 4. KH-Richtlinie kann der in Deutschland lebende Geschädigte nach einem Unfall im Ausland seine Ansprüche gegen den ausländischen Versicherer in Deutschland gegenüber dessen Schadensregulierungsbeauftragten geltend machen. Das materiell anzuwendende Recht richtet sich nach dem Unfallort.
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Gegenstand dieses Aufsatzes ist die Erstattungsfähigkeit der Reparaturkosten eines Pkw nach einem Verkehrsunfall in Polen. Erläutert wird die Abgrenzung zwischen der Abrechnung auf Totalschadenbasis und auf Basis der ermittelten Brutto-Reparaturkosten bei fiktiver Abrechnung des Schadens und das Regulierungsverhalten der polnischen Versicherung bzw. deren Schadensregulierungsbeauftragen in diesen Fällen.
A. Grundlagen
Scheitert die außergerichtliche Regulierung, kann der Geschädigte Klage vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, also in Deutschland, erheben.
Der Geschädigte, der in Polen unverschuldet einen Kfz-Schaden erleidet, hat hinsichtlich der Erstattung von Reparaturkosten grundsätzlich Anspruch auf Ersatz deutscher Lohnkosten und Ersatzteilpreise gegenüber der polnischen Versicherung.
Darüber hinaus steht dem Geschädigten auch bei fiktiver Abrechnung des Schadens nach polnischem Recht die Erstattung der Mehrwertsteuer zu (Brutto-Reparaturkosten).
B. Abrechnung auf Totalschadenbasis oder auf Basis der ermittelten Reparaturkosten?
Die Zivilkammer des obersten polnischen Gerichtshofs (Sad Najwzszy – Izba Cywilna: SN) hat in ihrer Entscheidung v. 11.6.2003 (Az.: V CKN 308/01) zusammengefasst folgende Grundsätze formuliert:
Wenn der Eigentümer eines beschädigten Pkw vom Schädiger die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Pkw durch dessen Reparatur verlangt, kann der Schädiger dieses Verlangen nicht abwehren, indem er den Eigentümer auf eine andere Form des Schadensersatzes verweist.
Insbesondere kann der Schädiger nicht verlangen, dass der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug verwertet und der Schadensersatzanspruch sich dann auf die Differenz des Werts des Fahrzeugs vor dem Unfall und dem Wert des Fahrzeugs nach dem Unfall beschränkt (Restwert). Daraus folgt, dass es grundsätzlich unzulässig ist, den Geschädigten auf die Regulierung auf Totalschadenbasis zu verweisen.
Dies gilt nicht, wenn die Reparatur des Fahrzeugs sich als unmöglich erweist oder übermäßige Schwierigkeiten beziehungsweise Kosten nach sich zieht (unwirtschaftlich ist). Erst dann beschränkt sich der Anspruch des Geschädigten auf die Zahlung der Differenz zwischen dem Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall (Wiederbeschaffungswert) und dessen Restwert (nach dem Unfall). Aus Rücksicht auf den Kompensationscharakter des Schadensersatzes darf die Reparatur des Fahrzeugs nicht zur Quelle der Bereicherung des Geschädigten werden.
Wenn die vom Geschädigten gewählte Art des Schadensersatzes, also die Reparatur, zu dessen Bereicherung führt – dieser Fall tritt ein, wenn die Reparatur den ursprünglichen Wert des Fahrzeugs erhöht hat –, so umfasst der Anspruch des Geschädigten lediglich die gesamten Reparaturkosten abzüglich der sodann verbleibenden Bereicherung des Geschädigten durch die Reparatur. Hiermit meint das Gericht den Fall, dass ein Geschädigter repariert, obwohl die Reparatur unwirtschaftlich ist, weil die Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen.
Dann tritt in der Tat möglicherweise eine Bereicherung des Geschädigten ein, da das Auto nach der Reparatur mehr wert ist als vor dem Unfall. In diesem Fall soll der Anspruch die gesamten Reparaturkosten umfassen, abzüglich der verbleibenden Bereicherung durch die Reparatur. Die Bereicherung kann dann nur in der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und aufgewendeten Reparaturkosten zu sehen sein. Dies wiederum könnte heißen: Der Wiederbeschaffungswert bildet die absolute Grenze für die erstattungsfähigen Reparaturkosten.