ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevollmächtigten beim Prozessgericht die Vertretung in der mündlichen Verhandlung wahrnimmt, richtet sich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VIII ZB 106/11
Sachverhalt
Der in der süddeutschen Stadt K ansässige Kl. hat die Bekl. zunächst vor dem LG Ingolstadt auf Zahlung des Kaufpreises für einen Pkw in Anspruch genommen. Zu Prozessbevollmächtigten hat der Kl. in der Nähe seines Wohnsitzes kanzleiansässige Rechtsanwälte bestellt Im Rechtsstreit hatten die Parteien in den Schriftsätzen ihrer Anwälte Zeugenbeweis zu streitigen Behauptungen angetreten. Das zunächst angerufene LG Ingolstadt hat den Rechtsstreit ohne Anberaumung eines Verhandlungstermins an das LG Hamburg verwiesen. Dieses hatte den Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung auf den 3.12.2010 anberaumt. Eine Anordnung zur Ladung von Zeugen hat es nicht getroffen. Mit der Terminswahrnehmung vor dem LG Hamburg hat der Kl. einen Hamburger Rechtsanwalt als Terminsvertreter beauftragt, der an dem Verhandlungstermin teilnahm. In der Folgezeit haben die Parteien den Rechtsstreit durch einen durch Beschl. bestätigten Vergleich beendet, in dem die Kosten gequotelt wurden.
Im Kostenausgleichungsverfahren hat der Kl. u.a. die Kosten seines Terminsvertreters i.H.v. insg. 930,82 EUR geltend gemacht. Die fiktiven Kosten für eine Anreise seiner Prozessbevollmächtigten zu dem Verhandlungstermin hat er mit 629,05 EUR beziffert. Der Rechtspfleger hat in seinem Kostenausgleichungsbeschluss die Kosten des Terminsvertreters nur in Höhe der fiktiven Reisekosten mit 629,05 EUR in die Kostenausgleichung eingestellt. Auf die sofortige Beschwerde des Kl. hat das OLG Hamburg RVGreport 2012, 115 (Hansens) die Terminsvertreterkosten des Kl. in Höhe von 691,96 EUR, also i.H.v. 110 % der ersparten Terminsreisekosten der Prozessbevollmächtigen, ausgeglichen. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde erstrebt der Kl. die Ausgleichung der Terminsvertreterkosten in voller Höhe.
2 Aus den Gründen:
[7] “… II. 1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der – wie hier – für den am Wohnort oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalt Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, richtet sich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Nach der st. Rspr. des BGH (vgl. BGH NJW 2003,898 = BRAGOreport 2003, 13 (Hansens) = AGS 2003,97; NJW-RR 2012, 381 = RVGreport 2012, 114 (ders.); NJW-RR 2004, 1724; sowie VersR 2006, 1089) stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären.
[8] 2. Für die Vergleichsberechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten und den durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Terminsvertretung entstandenen Kosten ist – anders als das Beschwerdegericht meint – nicht auf eine ex post-Betrachtung abzustellen. Maßgeblich ist nach der Rspr. des BGH vielmehr (BGH NJW 2003, 898; VersR 2006, 1089), ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen.
[9] Wenn die Partei prüft, ob sie einen Unterbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung hinzuzieht, liegt dies auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei; denn die Beauftragung des Unterbevollmächtigten kann, etwa bei einem geringen Streitwert und einer erheblichen Entfernung zwischen dem Kanzleisitz des Hauptbevollmächtigten und dem Prozessgericht oder wenn mehrere Termine wahrzunehmen sind, kostengünstiger sein als die Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten (BGH NJW 2003,898).
[10] Bei der gebotenen ex ante-Beurteilung durfte der Kl. im Zeitpunkt der Beauftragung des Unterbevollmächtigten davon ausgehen, dass voraussichtlich mehrere Termine vor dem Prozessgericht in Hamburg wahrzunehmen sein würden. Das LG Hamburg hatte zunächst nur Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter ohne Ladung von Zeugen anberaumt, obgleich von beiden Parteien Zeugen zum Beweis ihrer – strittigen – Behauptungen benannt worden waren. Für die Anreise des Hauptprozessbevollmächtigten des Kl. zu zwei Terminen vor dem LG Hamburg wären höhere Kosten entstanden als durch die Beauftragung des Unterbevollmächtigten.
[11] 3. Dem Kl. steht daher gegen die Bekl. ein Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten seines U...