VVG § 6 Abs. 3 a.F.; VVG § 28 Abs. 3, 4; AHB 2005 § 5 Abs. 3
Leitsatz
Gibt der VN in der Schadenanzeige und der Klage auf Deckungsschutz an, ein Jagdunfall, bei dem eine Treiberin zu Schaden gekommen ist, sei durch von ihm an der Leine geführte Jagdhunde verursacht worden, während in Wirklichkeit die Treiberin die Jagdhunde selbst gehalten hatte, so ist der VR wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung leistungsfrei.
(Leitsatz der Schriftleitung).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.2013 – 12 U 204/12
Sachverhalt
Zwischen den Parteien besteht mit Wirkung seit 1.4.2007 ein Jagd-Haftpflichtversicherungsvertrag, der ausweislich des Versicherungsscheins vom 17.1.2007 auch das "Halten von nicht geprüften Jagdhunden" umfasst. Dem Versicherungsvertrag liegen die AHB 2005 und die "Jagd-Bedingungen" zugrunde.
Der Kl. meldete der Bekl. einen Schadensvorfall vom 4.12.2008, bei der Frau R, die Anspruchstellerin, sich durch das Verhalten seiner Jagdhunde nicht unerhebliche Verletzungen – insb. einen Meniskusabriss und einen Bänderabriss – zugezogen habe.
2 Aus den Gründen:
" … Die Bekl. ist nicht verpflichtet, dem Kl. für den streitgegenständlichen Unfall vom Dezember 2008 Deckungsschutz zu gewähren. Die Bekl. ist von ihrer Leistungsverpflichtung freigeworden, weil der Kl. seine Obliegenheit zur Abgabe wahrheitsgemäßer Schadensberichte gem. § 5 Abs. 3 AHB 2005/Ziff. 25.2 AHB 2008 vorsätzlich und arglistig verletzt hat. Gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG ist bei der Beurteilung des Sachverhalts das VVG in seiner alten Fassung maßgebend, da der Versicherungsfall vor dem 31.12.2008 eingetreten ist."
1. Der Kl. räumt ein, dass er in der Schadenanzeige und in der Klageschrift vorsätzlich falsche Angaben zum Schadenshergang gemacht habe. Dort war angegeben worden, dass sich der streitgegenständliche Jagdunfall so ereignet habe, dass der Kl. selbst seine beiden Hunde an der Leine führte und diese sich – als ein Reh vor ihnen aufgesprungen sei – losgerissen und Frau R umgerissen hätten. Der Kl. hat im Rahmen seiner erstinstanzlichen persönlichen Anhörung vor Vernehmung der geladenen Augenzeugen R, St und Ri selbst eingeräumt, dass auch diese – und auch die im Rechtstreit bislang gemachten – Angaben falsch gewesen seien. Er selbst habe die Hunde nicht an der Leine geführt, sondern beide schon morgens vor der Jagd an Frau R übergeben. Er selbst sei erst nach dem fraglichen Unfall hinzugekommen.
Damit steht fest, dass der Kl. seine Obliegenheit zur wahrheitsgemäßer Schilderung des Schadenshergangs vorsätzlich verletzt hat.
2. Allerdings hat die Bekl. über die an die Geschädigte geleistete Akonto-Zahlung von EUR 1.000 hinaus weitere Versicherungsleistungen nicht erbracht. Nach der Relevanzrechtsprechung des BGH … kann sich der VR bei einer vorsätzlichen folgenlosen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des VN nur dann auf Leistungsfreiheit berufen, wenn die Obliegenheitsverletzung generell geeignet war, die Interessen des VR ernsthaft zu gefährden und dem VN ein erhebliches Verschulden zur Last fiel. So verhält es sich hier, so dass offen bleiben kann, ob hier noch von einer folgenlosen Obliegenheitsverletzung die Rede sein kann.
Unterbleiben Leistungen des VR, belegt dies nicht, dass die Obliegenheitsverletzung nicht generell geeignet war, die Interessen des VR ernsthaft zu beeinträchtigen (BGH VersR 1993, 830 unter II 3). Es genügt, dass der Verstoß des VN generell geeignet ist, die berechtigten Interessen des VR ernsthaft zu gefährden (BGH VersR 1998, 577; Römer/Langheid, VVG, 2. A., 2003, § 6, Rn 58). Hier ist davon auszugehen, dass das Verhalten des Kl. zumindest generell geeignet war, die Interessen der Bekl. ernsthaft zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die beiden dargestellten Geschehensvarianten haftungsrechtlich unterschiedlich zu bewerten sind. Bei der zunächst geschilderten Variante ist dem Grunde nach ohne Weiteres von einer Tierhalterhaftung des Kl. nach § 833 BGB auszugehen gewesen und ein Mitverschulden liegt eher fern. Bei der zuletzt vom Kl. eingeräumten Variante hingegen kommt ernsthaft in Betracht, die Geschädigte als Tieraufseherin i.S.d. § 834 S. 1 BGB zu behandeln. Ist jedoch der Aufseher selbst der Verletzte, haftet der Tierhalter zwar auch nach § 833 BGB, jedoch wird das Mitverschulden des Tieraufsehers vermutet. Der Tieraufseher hat sich gem. § 834 S. 2 BGB zu entlasten (Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 834 Rn 3 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.10.2008 – 9 U 75/07, MDR 2009, 31). Fehlen andere Anhaltspunkte haften beide je zur Hälfte (vgl. OLG Frankfurt VersR 1997, 456 f.). Damit stellt sich der gegen den Kl. geltend gemachte Haftpflichtanspruch zum Nachteil der mit dessen Abwehr oder Befriedigung belasteten Bekl. in wesentlichen Punkten zu Grund und Höhe anders dar als in der Schadensmeldung geschildert.
3. Voraussetzung für die Leistungsfreiheit wäre bei Folgenlosigkeit weiterhin, dass der VR den VN vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht. Ob die Bekl. diese Belehrung erteilt hat, kann mangel...