Die Entscheidung des BGH erklärt sich nur mit den Besonderheiten des Vergabeverfahrens, weil dort ausnahmsweise bei nachfolgendem Beschwerdeverfahren auch die im Vergabeverfahren vor der Vergabekammer angefallene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Vergabesenat berücksichtigt werden kann. Gleichwohl halte ich die Argumentation des BGH nicht für zwingend. Zwar kann ich den Ausführungen des BGH noch folgen, nach denen die erstattungsberechtigten AG die mit ihren Verfahrensbevollmächtigten vereinbarte Vergütung nur i.H.d. gesetzlichen Vergütung – hier in Höhe einer 1,1 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG – erstattet verlangen können. Daraus folgt jedoch noch nicht automatisch, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG, die vom Anfall einer Geschäftsgebühr ausgeht, entsprechend auf die vereinbarte Vergütung anteilig angewandt werden muss.

Die – wohl einhellige – Auffassung in der Rspr. lehnt eine Anrechnung eines vereinbarten Honorars ab (neben den oben zitierten Entscheidungen des BGH s. ferner KG RVGreport 2010, 343 (Hansens) = AGS 2010, 511 und RVGreport 2009,101 (ders.) = zfs 2009, 226 mit Anm. Hansens = AGS 2009, 213 mit Anm. N. Schneider; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 367 (ders.) = AGS 2009, 214; OLG Frankfurt/Main AnwBl. 2009, 310; OLG Köln RVGreport 2014, 199 (ders.)). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die vorgerichtliche Tätigkeit – hier die Vertretung vor der Vergabekammer – aufgrund einer Pauschalhonorarvereinbarung oder aufgrund einer Stundensatzvereinbarung vergütet wird. Selbst eine Vergütungsvereinbarung, die nur den Ausschluss der Anrechnungsvorschriften zum Gegenstand hat, führt zur Nichtanwendung von Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren (s. KG RVGreport 2010, 343 (Hansens) = AGS 2010, 511).

Das Argument des BGH, bei einer Stundensatzhonorarvereinbarung könne das Honorar zweifelsfrei dem jeweiligen Auftrag zugeordnet werden, halte ich nicht für stichhaltig. Rechnet der Anwalt seine gesamte Tätigkeit vereinbarungsgemäß stundenweise ab, so ergibt sich hieraus ohne weitere Zuordnungsmerkmale nicht, ob es sich um Tätigkeiten vor Beginn des Verfahrens vor der Vergabekammer handelt oder nach dessen Abschluss.

Möglicherweise erfasste hier die Stundensatzhonorarvereinbarung auch die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat. Dann wäre den Verfahrensbevollmächtigten auch die geltend gemachte 1,6 + 0,9 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 1008 VV RVG nicht angefallen, so dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG, die vom Anfall einer Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ausgeht, auch aus diesem Grunde nicht anwendbar wäre. Dann wäre schon eine doppelte Analogie erforderlich, um zu dem vom BGH gefundenen Ergebnis zu gelangen.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens

zfs 11/2014, S. 647 - 648

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