AUB 99 Ziff. 9; VVG § 14; BGB § 291
Leitsatz
Der VR ist nicht berechtigt, mit der endgültigen Erstbemessung des Grades der feststehenden unfallbedingten Invalidität bis zum Schluss des dritten Jahres nach dem Unfallereignis zu warten.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.5.2013 – 5 U 347/12
Sachverhalt
Die Kl. verlangt von der Bekl., ihrem UnfallVR, (noch) die vorgerichtliche Verzinsung einer während des Rechtsstreits gezahlten Invaliditätsentschädigung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Sie erlitt am 11.10.2008 einen Motorradunfall, der zu einer Radiustrümmerfraktur, führte, nach deren Operation sich eine Sudecksche Heilentgleisung einstellte. Der die Kl. behandelnde Arzt übersandte der Bekl. am 5.10.2009 eine Bescheinigung, in der dauernde Beeinträchtigungen der rechten Hand und der Abschluss des Heilverfahrens als nicht absehbar angegeben wurden. Ein von der Bekl. beauftragter Sachverständiger Prof. Dr. R urteilte am 28.5.2010, es liege ein sehr schlechtes funktionelles Ergebnis nach distaler Radiusfraktur rechts und aktuell eine Invalidität von 7/10 Handwert vor; das Verbesserungspotenzial des Morbus Sudeck sei begrenzt, eine Verbesserung sei jedoch nicht ausgeschlossen, er schlage eine Nachbegutachtung vor Ablauf der Dreijahresfrist vor. Daraufhin zahlte die Bekl. einen Vorschuss auf der Basis der Hälfte der festgestellten Invalidität. Ein im daraufhin von der Kl. eingeleiteten Rechtsstreit eingeholtes SV-Gutachten ergab einen Invaliditätsgrad von 7/10 Handwert, woraufhin die Bekl. eine Entschädigung i.H.v. 6/10 Handwert leistete und die Parteien die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärten. Das LG hat die Bekl. zur Zahlung einer weiteren Invaliditätsentschädigung verurteilt, der Kl. Zinsen ab Zugang des gerichtlichen SV-GA zugesprochen, ihr vorgerichtliche Anwaltskosten versagt und ihr im Wesentlichen die Kosten auferlegt. Dagegen wendet sich die Kl. mit ihrer Berufung.
2 Aus den Gründen:
" … 2. b. Die Kl. rügt zu Recht, dass das LG Verzugszinsen für die während des Rechtsstreits gezahlte Teilforderung von 44.250 EUR ganz abgesprochen und den Zinsbeginn für den ausgeurteilten Teilbetrag von 19.500 EUR erst auf den 4.10.2011 anstatt auf den Eintritt der Rechtshängigkeit am 29.11.2010 datiert hat."
(1) Zinsansprüche folgen allerdings nicht schon aus Ziff. 9 Nr. 4 AUB 99, wonach ein sich nach endgültiger Bemessung der Invalidität ergebender Mehrbetrag mit 5 % jährlich zu verzinsen ist. Die Klausel kommt nur zum Tragen, wenn eine bereits anerkannte Invaliditätsleistung neu bemessen wurde, nicht aber, wenn, wie hier, bloß ein Vorschuss gezahlt worden war (vgl. Senat VersR 2010, 661).
(2) Rechtliche Grundlage für den Zinsanspruch ist § 291 BGB. Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Hier war Fälligkeit vor der Klageerhebung eingetreten. Entgegen der Ansicht des LG ist der Anspruch der Kl. auf Invaliditätsentschädigung in Höhe der nach vorgerichtlicher Teilzahlung noch offenen 63.750 EUR schon nach der Erstellung des vorgerichtlichen Gutachtens des Jahres 2010 und vor Rechtshängigkeit fällig geworden.
(3) Regelungen zur Fälligkeit des Anspruchs auf Versicherungsleistungen finden sich im Gesetz sowie in den einschlägigen AUB.
Dabei wird der hier einschlägige § 11 VVG a.F., der die Fälligkeit an die Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des VR nötigen Erhebungen anknüpft, durch Ziff. 9 AUB 99 modifiziert. In der Klausel heißt es, der VR leiste innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Anspruch anerkannt oder eine Einigung über Grund und Höhe erzielt worden sei. Eine Erklärung über Ersteres abzugeben ist der VR verpflichtet, und zwar beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten. Fristbeginn ist der Eingang der Unterlagen zum “Nachweis des Unfallhergangs und der Unfallfolgen‘, beim Invaliditätsanspruch ferner der Unterlagen zum Nachweis “über den Abschluss des Heilverfahrens, soweit es für die Bemessung der Invalidität notwendig ist‘. Für den Fall, dass die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach feststeht, braucht der VR nur “angemessene Vorschüsse‘ zu zahlen.
Ziff. 9 AUB 99 regelt in Bezug auf die Zahlung der Geldleistung nur einen Teilbereich der Fälligkeit, nämlich die Fälle, in denen der VR im positiven Sinn über den vom VN erhobenen Anspruch entschieden hat. Über die Fälligkeit bei Leistungsablehnung sagt die Klausel nichts. Deshalb bestimmt sich der Eintritt der Fälligkeit allein nach dem Gesetz, wenn der VR die Leistung verweigert (siehe BGH VersR 2000, 753 … ). Es kommt dann gem. § 11 VVG a.F. darauf an, wann der VR die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung nötigen Erhebungen abgeschlossen hat. Das getan zu haben, dokumentiert er insb. mit der Erklärung einer Leistungsablehnung. Mit ihr wird der Invaliditätsentschädigungsanspruch fällig, allerdings naturgemäß nur, sow...