OWiG § 10 § 80; StVO § 41
Leitsatz
1. Es ist obergerichtlich hinreichend geklärt, welche Anforderungen an die Annahme eines fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoßes in Fällen des Übersehens eines geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichens zu stellen sind.
2. Bei einer Fehlentscheidung, die sich nur im Einzelfall auswirkt, ist die Einheitlichkeit der Rspr. noch nicht gefährdet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist.
3. Nimmt der Fahrzeugführer vor dem Beginn eines Überholvorgangs auf einer gut ausgebauten Straße das angebrachte weitere Zeichen 439 (Wegweiser außerhalb von Autobahnen) wahr, während des dann vorgenommenen Überholvorgangs aber nicht das durch das überholte Fahrzeug verdeckte Verkehrszeichen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung, kann ein Fahrlässigkeitsvorwurf wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht damit begründet werden, dass sich dem Betr. aufgrund der Beschilderung mit dem Zeichen 439 das Vorhandensein weitergehender Regelungen, auch in Form einer Geschwindigkeitsbegrenzung hätte aufdrängen müssen.
OLG Dresden, Beschl. v. 11.2.2015 – 25 Ss 39/15
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen außerörtlichen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 59 km/h zu einer Geldbuße von 150 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das AG abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das OLG Dresden hat den Antrag des Betr. auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
" … II. Das Rechtsmittel war zu verwerfen, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist."
1. Zuzugeben ist dem Beschwerdeführer allerdings, dass die Urteilsgründe die Annahme einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit in subjektiver Hinsicht um 59 km/h nicht tragen.
a) Der Betr. hat das Messergebnis nicht in Abrede gestellt und geltend gemacht, das angebrachte Verkehrszeichen 274-57, mit dem die erlaubte Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert gewesen sei, nicht gesehen zu haben, da er sich gerade in einem Überholvorgang eines Lkw befunden und deshalb das Zeichen nicht habe erkennen können, da es durch den Lkw während des Überholens verdeckt gewesen sei.
Hierzu hat das AG wie folgt ausgeführt:
“Das Gericht geht zunächst unwiderlegt davon aus, dass der Betr. daran gehindert war, das rechts angebrachte Zeichen 274-57 wahrzunehmen, da er sich gerade in einem Überholvorgang des Lkw befand. Das Gericht geht dennoch davon aus, dass ihm gerade die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung bekannt sein musste, denn die Örtlichkeit legte das Anordnen einer Geschwindigkeitsbegrenzung besonders nahe. Zwar handelte es sich beim Straßenkörper um eine gut ausgebaute Straße, jedoch befand sich vor dem Zeichen 274-57 ein Zeichen 439 am rechten Straßenrand, welches der Betr. vor dem Überholvorgang überfahren hat. Dies hat der Betr. selbst der Behörde durch Vorlage eines Lichtbildes, welches in der Beweisaufnahme in Anschein genommen wurde, im Einspruchsverfahren dargelegt. Mit dem Zeichen 439 wurde der Betr. deutlich auf den nahenden Kreuzungsbereich hingewiesen. Wenngleich der Betr. aufgrund der Stärke der Pfeilstriche auf dem Zeichen 439 ableiten konnte, dass er bezüglich der nahenden Kreuzung sich auf der Vorfahrtsstraße befindet, konnte er jedoch nicht wissen, ob für die die untergeordnete Straße befahrenden Verkehrsteilnehmer zur Auffahrt auf die Hauptstraße Zeichen 205 oder Zeichen 206 die Vorfahrt regelt, da ein Hinweis dazu auf dem Zeichen 439 nicht angebracht war. Klar ist auch, dass der Einblick auf die rechtsseitige Beschilderung während eines Überholvorganges eines Lkw zeitweise nicht gegeben ist. Bei der beschriebenen Beschilderung lag auf der Hand, dass der Betr. zur Aufmerksamkeit in besonderer Weise aufgefordert war und dass es sich ihm auch aufdrängen musste, dass vor dem Kreuzungsbereich weitergehende Regelungen, auch in Form einer Geschwindigkeitsbegrenzung, zu erwarten waren.
Demgemäß kann die Einlassung des Betr. ihn im vorliegenden Fall nicht vollständig entlasten, die Tat stellt sich jedoch wegen der geschilderten Besonderheiten nicht als Regelfall einer Straßenverkehrsordnungswidrigkeit dar.‘
Aufgrund dieser Besonderheiten hat das AG die Regelgeldbuße auf 150 EUR verringert und von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen.
b) Diese Begründung trägt die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 59 km/h nicht. Unwiderlegt hat sich der die Geschwindigkeit zugestehende Betr. dahingehend eingelassen, er habe kurz bevor die Geschwindigkeitsmessung erfolgt sei, einen Transporter überholt, der ihm die Sicht auf das Verkehrsschild genommen habe. Deshalb habe er die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h nicht wahrgenommen. Ist dies aber der Fall, kann dem Betr. nicht vorgeworfen werden, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dadurch verletzt, dass er das die Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigende Verkehrsschild übersehen habe. Anhaltspunkte dafür, dass sich dem Rechts...