Derzeit sind bundesweit viele Bußgeldbescheide der staatlichen Arbeitsschutzbehörden von so einer Problematik betroffen.
1. In § 4 Abs. 3 OWiG heißt es: "Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden."
2. Unsere Aufgabe ist es jetzt zu prüfen, ob die Arbeitsschutzbehörden die Verstöße gegen Sozialvorschriften im Straßenverkehr auf die alte Verordnung EWG 3821/85 stützen. Wenn das der Fall ist, sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass diese Verordnung heute nicht mehr gilt.
Sie ist aufgehoben worden durch die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union am 28.2.2016.
Dort heißt es in Art. 47: "Die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 wird aufgehoben. Verweise auf die aufgehobene Verordnung gelten als Verweise auf die vorliegende Verordnung", während Art. 48 bestimmt: "Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft." Sie gilt vorbehaltlich der Übergangsmaßnahmen gemäß Art. 46 ab 2.3.2016. Die Art. 24, 34 und 45 gelten jedoch ab dem 2.3.2015.
3. Der nationale Gesetzgeber hat das zunächst übersehen. In § 23 FPersVO blieb es bei der Anführung von Verstößen gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85.
Die Anpassung von § 23 Fahrpersonalverordnung ist jetzt erfolgt durch Art. 4 in der 51. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 17.6.2016 (BGBl. I S. 1463) und ist damit am Tag nach der Verkündung am 18.6.2016 in Kraft getreten und hat die Sanktionslücke geschlossen:
"Die Fahrpersonalverordnung vom 27.6.2005 (BGBl. I S. 1882) … wird wie folgt geändert:"
1. § 23 wird wie folgt geändert:
a) In der Überschrift wird die Angabe "Verordnung (EWG) Nr. 3821/85" durch die Angabe "Verordnung (EU) Nr. 165/2014" ersetzt.
b) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
aa) Der Satzteil vor Nummer 1 wird wie folgt gefasst:
"Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Unternehmer gegen die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 … verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig" … “
4. Wenn wir es rügen, wird das Verfahren beendet. Aber viele Richter müssen erst darauf hingewiesen werden. Ich habe in einem laufenden Verfahren – nach entsprechendem Vortrag – von der staatlichen Arbeitsschutzbehörde im September 2016 ein entsprechendes Schreiben erhalten, in dem es wie folgt heißt:
"Die VO (EWG) Nummer 3821/85 ist in der Tat seit dem 2.3.2016 komplett aufgehoben und die daraus resultierende Ahndungslücke erst zum 18.6.2016 geschlossen worden. … “"
Bei den Anwälten hat sich die Fehlverweisung des Gesetzgebers in § 23 Fahrpersonalverordnung nicht wirklich herumgesprochen. Es ist Aufgabe der Verteidiger, die Bußgeldbescheide jetzt sorgsam auf die Vornahme einer ordnungsgemäßen Verweisung auf das EU-Recht zu überprüfen.
Wenn die Tatzeitpunkte vor Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung Nr. 165/2014 lagen, kann die Sanktionslosigkeit auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgetragen werden.
In gerichtlicher Hinsicht liegt hierzu bislang ein Beschluss des Amtsgerichts Hadamar vom 7.4.2016 – 1 OWi 6 JS 17848/15, SVR 2016, 310, vor. Auch dort kam es zur Verfahrenseinstellung.